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„Wir waren zur Stelle, als es darauf ankam“

So 19.05.2024
Fotos: Andreas Gora
Fotos: Andreas Gora
Mit dem Gewinn der 14. Deutschen Meisterschaft konnten die Berlin Recycling Volleys vor knapp drei Wochen eine ebenso ereignis- wie erfolgreiche Saison 2023/24 abschließen. Im ausführlichen Gespräch zieht Geschäftsführer Kaweh Niroomand Bilanz und richtet den Blick in die Zukunft, denn neue Herausforderungen warten bereits auf Mannschaft und Verein. Kaweh, nach dem hochspannenden Saisonfinale ist inzwischen etwas Ruhe eingekehrt. Du hast auf der Saisonabschlussfeier gesagt, dass Du bei Deiner Meinung zu Saisonbeginn bleibst: Dies war das BR Volleys Team mit dem größten Potenzial. Konnte die Mannschaft dieses in Deinen Augen ausschöpfen? Kaweh Niroomand: „Diese Aussage bezog sich zum einen auf die Qualität der Spieler und zum anderen auf den Umstand, dass es uns gelang den Stamm beisammenzuhalten. Wir hatten nur Anton Brehme aus der ersten Formation zu ersetzen und konnten das mit den Verpflichtungen von Timo Tammemaa und Tobias Krick gut auffangen. Ich glaube, die Belastung im Sommer hat uns das dauerhafte Abrufen des Potenzials erschwert. Am Beispiel von Marek Sotola hat man gesehen, dass er erst zum Saisonende wieder das Niveau der Vorsaison erreichen konnte. Diese Hypothek aus dem Sommer hat in Summe die Qualität unserer Spiele beeinflusst. Unter anderen Voraussetzungen wären noch mehr Auftritte wie gegen Ankara zuhause möglich gewesen. Dort konnte die Mannschaft zeigen, was sie in der Spitze kann. Ich glaube, wenn wir frischer gewesen wären, hätten wir in der Champions League sogar noch besser performen können. Auf nationaler Ebene waren wir zur Stelle, als es darauf ankam.“ Neben den drei nationalen Titeln gelang in der Champions League der vierte Viertelfinaleinzug in Folge. Aber dort war eben erneut Endstation. Ist dies trotzdem als Erfolg zu werten? Niroomand: „Realistisch gesehen ist das unsere Position in Europa. Die russischen Mannschaften ausgenommen, haben wir uns unter den besten acht bis zehn Teams festgesetzt. Das haben wir jetzt viermal hintereinander gezeigt und wird durch Erfolge wie die deutlichen Siege gegen den französischen Meister Tours in der Playoff-Runde untermauert. Damit es noch einen Schritt weitergeht, braucht es wahrscheinlich etwas mehr Losglück. Es standen Teams im Halbfinale, gegen die ich durchaus mehr Chancen gesehen hätte, wenn wir an unser Leistungsmaximum gekommen wären. Insgesamt ist das aber natürlich ein Erfolg!“ Die Mannschaft war eingespielt, dafür das Trainerteam komplett neu. Wie blickst Du auf die Staffelstabübergabe auf der Bank? Niroomand: „Das war vor der Saison die große Unbekannte. Nach dem anfänglichen Anpassungsprozess, dem man von allen Seiten auch Zeit geben muss, ist ein gutes Verhältnis gewachsen. Das gesamte Trainerteam hat eine andere emotionale Dynamik, allein wenn man den Vulkan Lucio Oro mit seinen Nachfolgern Markus Steuerwald und Alexandre Leal vergleicht. Der neue Führungsstil von Joel Banks funktioniert. Dazu war die medizinische Abteilung eine ganz wichtige Komponente. Mit Doktor Miltner und unseren beiden Physiotherapeutinnen sind wir topbesetzt und konnten eine “Rund-um-die-Uhr-Betreuung" gewährleisten. Allein im Finale hat sich am Bespiel von Ruben Schott gezeigt, wie wertvoll das ist. Ohne die Sofortmaßnahmen in Friedrichshafen, wären sein Einsatz und damit auch der letzte Titel kaum zu erlangen gewesen. Trotz einiger und teilweiser sogar schwerer Verletzungen wurde die Überbelastung von unserem Trainer- und Medizinteam insgesamt hervorragend gemanagt.“ Gab es für Dich einen Moment der Saison oder einen Spieler, der Dich besonders beeindruckt hat? Niroomand: „Rubens Entwicklung war bemerkenswert. Wer hätte vor zweieinhalb Jahren gedacht, dass er so schnell diese Rolle einnehmen kann und der verlängerte Arm auf dem Spielfeld wird. Er hat den nächsten Schritt gemacht und ist mit einer Einstellung vorangegangen, die das gesamte Team mitgezogen hat. Er hat Präsenz in Richtung Mitspieler und Gegner gezeigt, nach dem Motto ‘Leute, jetzt müssen alle ran, auch ich stehe hier, obwohl ich verletzt bin‘. Das hat mich beeindruckt. Dazu ist die Achse aus Hannes und Marek zu nennen, die sich im letzten und wichtigsten Spiel nochmal zu Topleistungen aufgerappelt hat. Überragend war auch Nehemiah Mote zum Abschluss im direkten Duell mit Masso. Timothée Carle und Timo Tammemaa waren über die gesamte Saison hinweg wertvoll. Einzelne hervorzuheben ist immer schwer, denn jeder, an den man denkt, hatte seinen Anteil. Selbstverständlich auch alle, die von der Bank direkt oder indirekt Einfluss auf das Spiel und das Team genommen haben.“ Abseits des Courts konnten ebenso neue Erfolge gefeiert werden. Worauf ist der erfreuliche “Zuschauerboom“ mit der Rekordzahl von 120.454 Besuchern und dem höchsten Durchschnitt jemals für Dich zurückzuführen? Niroomand: „Unsere Strategie, immer größere Kreise in der Stadt zu ziehen, geht auf. Angefangen haben wir mit der Volleyball-Community, inzwischen gehören die BR Volleys zum Standard der Berliner Sportlandschaft. Der Berliner möchte immer etwas erleben und bei uns wird Topleistung mit einer tollen und friedlichen Atmosphäre verknüpft. So ziehen wir auch Menschen an, die mit Volleyball nicht viel am Hut haben. Innerhalb von einer Woche zweimal ausverkauft zu sein – das gab es noch nie bei uns. Mir ist kein Volleyballverein in Europa und der Welt bekannt, der konstant so viele Zuschauer anzieht. Dazu wird das Publikum immer jünger, was unsere Zuschauerbefragungen auch statistisch belegen. Mir wird immer wieder gespiegelt, dass der Umgang unter den Zuschauern und mit dem Gegner unheimlich höflich und anständig ist. Das zeichnet unsere Events auch aus. Jüngstes Beispiel: Der Friedrichshafener Saison-MVP Michal Superlak erhält bei uns Standing Ovations. Da können sich andere eine Scheibe von abschneiden.“ Wie bewertest Du die Entwicklung der Volleyball Bundesliga in der Spielzeit 23/24 – verbunden mit dem Aufsteigerprogramm? Niroomand: „Wir haben dieses Vorhaben von Anfang an unterstützt und gehen diesen Weg gern mit, weil wir darin Chancen für die Zukunft sehen. Ich kann nur immer wieder Lüneburg und Giesen als Vorzeigeprojekt hervorheben. Es ist richtig, anderen die Möglichkeit zu geben ähnliche Wege einzuschlagen. Jetzt darf an den neuen Standorten aber keine Stagnation eintreten, denn es gab in der Vergangenheit auch Negativbeispiele. Karlsruhe, Freiburg, Dachau und Bitterfeld-Wolfen haben den nötigen Ehrgeiz sich zu entwickeln. Hier ist eine enge Begleitung durch die VBL-Führung immens wichtig. Sie muss ständig ein Ohr an den Vereinen haben. Wir verfügen jetzt über eine 13er Liga und weitere Vereine stehen vor der Tür. Der Traum von einer 14er Liga mit sportlichem Wettstreit um Auf- und Abstieg ist in Sichtweite.“ Dazu war es auch das erste Jahr unter der neuen Medienpartnerschaft mit Dyn. Ist die Volleyball Bundesliga hier ebenso auf dem richtigen Weg? Niroomand: „Das ist eine sehr wichtige Plattform für uns, denn darüber können wir langfristig national in die Breite kommen. Natürlich handelt es sich um ein Streamingangebot und nicht das öffentlich-rechtliche Fernsehen, dennoch ist dies eine wichtige Basis für uns. Dort wird deutscher Mannschaftsspitzensport vereint und, ohne genaue Zahlen zu nennen, wuchs der Zuspruch in den Playoffs und im Finale noch einmal spürbar. Es gibt weiterhin Menschen, die sich daran gewöhnen müssen, dass dieses gute Produkt auch etwas kostet – ebenso wie Qualitätsjournalismus in dieser Zeit nicht mehr allein über Werbung finanzierbar ist. An anderer Stelle zahlen wir bereitwillig Rundfunkgebühren und auch hier braucht es ein Umdenken. Die Produktionen der Vereine sind mit den vorhandenen Möglichkeiten große Klasse!“ Den Blick in die Zukunft gerichtet: Der personelle Umbruch im Team fällt in der öffentlichen Wahrnehmung sehr groß aus. Wie ist das aus Deiner Perspektive? Niroomand: „Ich sehe das nicht so kritisch. Sieben Abgänge sind eine Menge, aber wir haben uns bemüht, das Grundgerüst aus der Startformation zu erhalten. Es wird natürlich schwer sein, Marek und Timothée mit ihrer Angriffswucht zu ersetzen. Unser Spiel wird sich verändern müssen, denn wir werden mit Moritz Reichert in Annahme und Abwehr noch ein Stück stabiler und besser werden. Also müssen wir noch schneller spielen. Hannes Tille ist dafür der richtige Mann. Das Thema Aufschlag wird spannend. Darin lag in den letzten zwei Jahren unsere große Stärke und auch hier müssen wir Qualität auffangen. Aber ich sehe in den neuen Leuten das Potenzial dazu.“ Drei Neuzugänge sind inzwischen bestätigt. Worauf wird bei der Kaderzusammenstellung Wert gelegt? Niroomand: „Zuerst sind wir immer bestrebt, auf dem Markt deutsche Spieler mit der nötigen Qualität zu finden. Das ist uns in den letzten Jahren und in diesem Sommer gelungen. Jetzt stehen mindestens sieben Deutsche im Kader. Das ist die größte Zahl, seit Berlin Recycling unser Namensgeber wurde. Das allein ist ein starkes Signal, wie ich finde. Dazu wird es darum gehen, dass unsere hervorragende Nachwuchsarbeit jetzt auch an der Spitze Früchte trägt. Wir haben mehr als 1.500 Jungen in unserem gesamtberliner Nachwuchskonzept. Berlin hat mit zweimal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze bei den Jugendmeisterschaften richtig abgeräumt. Das soll der Grundstock für die zukünftige Arbeit werden. Wir möchten auf den Positionen drei oder vier im Kader jungen Spielern Plätze geben. Djifa Amedegnato ist jetzt im Zuspiel der erste, der sich diese Chance verdient hat und sie bekommt. Was ist personell in den kommenden Wochen noch zu erwarten? Niroomand: „Wir befinden uns in abschließenden Verhandlungen und sind optimistisch einen schlagkräftigen Kader zu formieren. Der Plan ist, auch weiterhin mit vier Mittelblockern in die Saison zu gehen. Auch wenn das eine zusätzliche Belastung für unseren Haushalt darstellt, lohnt sich das. Diese Saison war es der Mannschaftsteil, der am häufigsten krank oder verletzt war. Der neue Kader soll im Idealfall mindestens die nächsten zwei Jahre zusammenspielen. Deshalb wird es erst einmal Geduld brauchen. Mich würde es nicht wundern, wenn es zum Start holpert. Aber das Potenzial ist vorhanden, wieder eine sehr schlagkräftige Mannschaft zu formen.“ Abseits des Spielfeldes wurden ebenfalls neue Prozesse angestoßen. Wie sieht die nächste Weiterentwicklung des BR Volleys Projekts aus? Niroomand: „Wir sind dabei, uns als modernes Unternehmen aufzustellen, das unter den ESG-Gesichtspunkten ganzheitlich arbeitet. Das umfasst alle Aspekte des Nachhaltigkeitsgedankens, wozu wir neben der Ökologie und der Nachwuchsentwicklung auch den Frauensport und unser soziales Engagement betrachten. Dies erfordert Energie und Ressourcen, ist aber notwendig. Wir haben eine neue Vision vor Augen und ich bin sicher, wir können und werden in diesen Bereichen in den kommenden Jahren viele Fortschritte erzielen.“ Abschließende Frage: Wie sehr freust Du Dich auf den keinesfalls volleyballfreien Sommer? Niroomand: „Die nächsten Monate sind gespickt mit Topspielen. In der Volleyball Nations League kann man einige Neuzugänge von uns beobachten. Dazu wartet natürlich das absolute Highlight Olympia. Ich traue der deutschen Mannschaft in Paris durchaus etwas zu, wenn sie an die Leistungen aus der Qualifikation anknüpfen kann. Dieses Turnier bietet für unsere Sportart endlich mal wieder die Möglichkeit, die ganz breite Masse an deutschen Sportfans zu erreichen. Hoffentlich sind dort dann viele BR Volleys Spieler dabei, die man ab September in unserer Arena wiedersehen kann!“

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