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Viele Talente machen sich auf den Berliner Weg
Es ist nur wenige Tage her, dass sich die Berlin Recycling Volleys in einer spannenden Finalserie nach hartem Kampf gegen den VfB Friedrichshafen durchsetzten. 8.553 Zuschauer im ausverkauften Volleyballtempel Max-Schmeling-Halle feierten nach dem Spiel fünf den Rekordmeister. Schon längst allerdings arbeiten die Verantwortlichen daran, dass der Hauptstadtklub weiterhin eine titelfähige Mannschaft ins Rennen schicken kann. Das gilt nicht nur für die kommende Saison, sondern auch für die fernere Zukunft. Nicht zuletzt deshalb haben die BR Volleys im Jahr 2016 ein ambitioniertes gesamtberliner Nachwuchskonzept begründet. Die ersten Früchte dieser Arbeit können bereits geerntet werden.
Ein junger Bursche kommt lässig aus dem Schul- und Leistungssportzentrum in Hohenschönhausen geschlendert. Erst 15 Jahre alt ist Matti Staebner, aber schon 1,94 Meter groß. Vor zwei Jahren ist er in der Altersklasse der unter 14-Jährigen (U14) Deutscher Meister mit dem Team des Sport-Club Charlottenburg geworden, dem Stammverein der BR Volleys. Vor drei Wochen folgte der Titel mit der U16, deren Kapitän er ist. Zurzeit trainiert er viermal die Woche in Vorbereitung auf den Bundespokal, wo er sich für die Nachwuchs-Nationalmannschaft empfehlen will. Matti hat noch andere Pläne: „Mal bei den BR Volleys zu spielen, wäre schön und ist schon mein Ziel. Mal schauen, ob das funktioniert“, sagt er respektvoll, aber durchaus selbstbewusst. Sein Vorbild ist Timothée Carle, ebenfalls Außenangreifer. Einen Zopf wie der Franzose trägt er schon und zeigt ihn ganz stolz.
Matti Staebner, das ist die gute Nachricht für den Berliner Volleyballsport, ist nur ein Beispiel unter vielen. „Matti ist einer von denen, die bis nach oben kommen können“, glaubt Torsten Manke, der das Talent einst selbst bei einer Sichtung entdeckte und sein erster Trainer war, „wenn er weiterhin konstant gut trainiert und ein zuverlässiger Part in jeder Mannschaft ist“. Manke (34) ist Chef- und Sichtungstrainer des Nachwuchskonzepts. Er war mit 16 Jahren Spielertrainer in einem kleinen Berliner Verein, mit 19 Jugendtrainer bei Rotation Prenzlauer Berg. Seit 2016 ist der A-Lizenz-Inhaber hauptberuflicher Nachwuchstrainer bei den SCC JUNIORS. Als er seinen neuen Posten übernahm, gab es „immer weniger organisierten Vereinssport für Jugendliche“. Seitdem geht es wieder vorwärts. „Wir haben Vereine gesucht, mit denen wir gemeinsam das Nachwuchskonzept umsetzen. Die Strukturen wurden größer, die Zahl der Partnervereine wächst von Jahr zu Jahr. Aktuell sind es zwölf, zum Sommer werden es schon 14 sein.“
Die Zahl der Erfolge ist mitgewachsen. „Wir haben in diesem Jahr sieben von acht möglichen Startplätzen für die Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften geholt“, berichtet Manke mit Stolz. „Die Jahrgänge, mit denen wir angefangen haben, kommen jetzt nach oben. Ab dem 2007er sind die Jahrgänge bombastisch stark, in der Breite und in der Spitze.“ Matti Staebner ist Jahrgang 2009. „Wir kommen jetzt dahin, immer zwei Mannschaften für die Deutsche Meisterschaft auszubilden und dort mindestens eine Medaille zu gewinnen.“ Das sei in jeder Altersklasse das Ziel. Am kommenden Wochenende (04./05 Mai) treten in Dachau bei der U14 Endrunde die Teams des SCC und von Rotation Prenzlauer Berg an, in der U18 in Amberg die Mannschaften des SCC und des Berliner TSC. „Ich bin optimistisch, dass wir dort mindestens zwei, drei Medaillen holen“, rechnet Manke vor. Das gelang schließlich auch vor drei Wochen bei den U16 Meisterschaften: Hier ging Gold an den SCC, der BTSC gewann Bronze.
Die wechselnden Vereinsnamen zeigen: Es geht nicht darum, alle guten Berliner Spieler zu den SCC JUNIORS zu holen. Die BR Volleys sind zwar der Leuchtturm des Projekts, wo alle Jungs, besonders die Jüngeren, gern eines Tages landen würden und der das Nachwuchskonzept nach Kräften unterstützt. „Aber als ich angefangen habe, waren alle Vereine in Konkurrenz“, erinnert sich der Cheftrainer. „Jetzt basiert alles auf Partnerschaft. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir das Kooperationsmodell mit den Vereinen so aufbauen, dass es auf Geben und Nehmen basiert.“
Die SCC JUNIORS organisieren mit dem Berliner Volleyball-Verband in der untersten Stufe die Mitgliedergewinnung im männlichen Bereich. „Wir haben Sichtungsstrukturen im gesamten Stadtgebiet geschaffen und eine sehr große Schulliga mit über 150 Schulen aufgebaut.“ Daraus und aus zusätzlichen Projekten wie Volleyball-AGs wurden für alle Partnervereine neue Mitglieder rekrutiert. Die Zahlen sind mehr als überzeugend, sie sind phänomenal. Waren am 1. Januar 2016 nur 673 Jungen bis 18 Jahre in Berliner Vereinen gemeldet, waren es am 1. Januar 2024, acht Jahre später, 1796 – Tendenz weiter steigend.
Das bedeutet: Alle Partnervereine haben damit einen auch an Mitgliedsbeiträgen zählbaren Mehrwert. Im Gegenzug müssen sie bereit sein, für die Berliner Auswahl- und Stützpunktmannschaften ihre besten Spieler freizugeben, „die in dieser einen Saison eine Spielrechtsübertragung haben. Es geht aber nicht darum, die Talente aus den Vereinen abzuwerben und in einen anderen reinzupacken“, erklärt Manke, „es geht im Endeffekt darum, dass wir die besten Talente aus Berlin für eine Saison bündeln.“ Im Anschluss könnten die Spieler weiter in ihren Vereinen trainieren oder weiterführend in der nächsthöheren Stützpunktmannschaft ausgebildet werden. Motivierend kommt hinzu: Die Vereine, die am meisten Spieler in den Teams haben, erhalten das Mannschaftsmelderecht, deshalb geht mal der SCC ins Meisterschaftsrennen, mal der BTSC, mal Rotation. Auch die anderen Klubs holen auf. Alle seien sehr interessiert, viele junge Spieler so gut auszubilden, dass sie den Sprung in die Auswahlteams schaffen. Alle hätten ein gemeinsames Ziel. „Nächstes Jahr beim Jahrgang 2010“, freut sich der Cheftrainer, „kommen die Spieler aus zwölf Vereinen.“
Es ist ihm wichtig, direkt mit den Klubs zusammenzuarbeiten, über alles zu kommunizieren, es soll ein Wir-Gefühl vorherrschen. „Ich versuche stets, möglichst viele Vereinstrainer einzubinden, wenn wir zum Beispiel Trainingslager haben oder das Sommercamp in Beach-Mitte“, sagt Manke. „Wenn dort 150 bis 200 Kids am Start sind, brauchen wir auch sehr viele Trainer. Wir versuchen, eine große Community zu entwickeln. Das funktioniert, alle haben Spaß.“ Berlin setzt Zeichen für den Nachwuchs, das steht im Vordergrund. Dass über Vereinsgrenzen hinaus gedacht werde, helfe enorm. „Es erzeugt ein Zugehörigkeitsgefühl zum gesamtberliner Volleyball-System Nachwuchs männlich.“ Davon profitieren alle.
So sieht es auch Kaweh Niroomand, der Geschäftsführer der Berlin Recycling Volleys. „Dort wird sehr gute Arbeit geleistet“, sagt er, „und sie lohnt sich auch für uns als BR Volleys, wenn noch zwei, drei Hausaufgaben gemacht werden.“ Eine Breite sei schon geschaffen worden im Berliner Volleyball, als nächstes müsse der Übergang zum Spitzensport gelingen. Bereits bei den 16- bis 18-Jährigen müsse erkannt werden, wer genug Talent habe, einmal den Sprung in die Bundesliga oder gar in die Champions League zu schaffen. Dafür benötigen sie vor allem eines: Spielpraxis. „Die Struktur der Bundesliga bietet dafür Möglichkeiten“, ist Niroomand optimistisch.
Der deutsche Volleyball ist nicht mehr allein auf den VC Olympia Berlin als Talente-Pool angewiesen. Auch bei den Aufsteigern in Freiburg, Karlsruhe, Dachau oder Bitterfeld können deutsche Spieler jetzt Einsatzzeiten bekommen, sich entwickeln und dann eventuell im Idealfall nach ein, zwei Jahren nach Berlin zurückkehren. Wenn sie nicht schon so gut sind wie zum Beispiel der 19-jährige Djifa Julien Amedegnato, der als einer der Ersten das Berliner Nachwuchskonzept vollständig durchlief, zuletzt eine Saison Zuspieler der Netzhoppers Königs Wusterhausen war und nun bei den BR Volleys einen Vertrag erhält: „Er soll ein bis zwei Jahre Zeit bekommen, von unserem ersten Zuspieler Hannes Tille zu lernen“, so Niroomand.
Andere sollen ihm folgen, wenn es nach Niroomand und Manke geht. Vielleicht wird auch Matti Staebner einmal diesen "Berliner Weg" einschlagen. Ausgebildet in der Hauptstadt zu einem der nationalen Leistungsträger seines Jahrgangs, könnte er die enorm wichtige Spielpraxis in der Bundesliga sammeln bei einem Verein, der eventuell nicht im Kampf um die Deutsche Meisterschaft mitmischt. Und dann eines nicht allzu fernen Tages bereit sein für das Abenteuer BR Volleys. Er hätte nichts dagegen: „Ich investiere relativ viel Zeit und Energie, um dieses Ziel anzugehen, Volleyball spielt in meinem Leben schon jetzt die Hauptrolle“, sagt er. Doch belastend findet der 15-Jährige das nicht, denn: „Ich mache das gern. Volleyball macht schließlich Spaß.“ Niroomand ist angesichts der immer zahlreicher werdenden Berliner Talente überzeugt: „Wenn der Deutsche Volleyball-Verband jetzt nachzieht, gibt es in Deutschland bald kein Nachwuchsproblem mehr.“
Die Deutschen Meisterschaften der U-Mannschaften im Überblick:
Deutscher Meisterschaft U16
Gold: SCC JUNIORS
Bronze: Berliner TSC
Deutscher Meisterschaft U14
Qualifiziert: SCC JUNIORS und Rotation Prenzlauer Berg
Austragung: 04./05. Mai in Dachau
Deutsche Meisterschaft U18
Qualifiziert: SCC JUNIORS und Berliner TSC
Austragung: 04./05. Mai in Amberg
Deutsche Meisterschaft U20
Qualifiziert: Berliner TSC
11./12. Mai Ludwigsburg
Weitere Informationen: https://www.volleyball-verband.de/de/halle/jugend/deutsche-meisterschaften/