Kaweh, Du warst beim gestrigen Auftaktspiel in Düren live vor Ort. Was hat gefehlt, um den selbstbewussten Rheinländern entscheidend Paroli zu bieten? Kaweh Niroomand: Über unsere Leistung brauchen wir nicht viele Worte verlieren. Das war schlichtweg in allen Belangen zu wenig. Während die Dürener alles gezeigt haben, was es in einem Playoff-Match braucht, haben wir viel zu wenig Emotionen auf den Court gebracht. Wenn der Gegner sich dann in einen derartigen Rausch spielt, wird es auswärts ganz schwer.
Nun folgt am Mittwoch in der Max-Schmeling-Halle das Wiedersehen. Spiel zwei der Halbfinalserie ist nicht nur aufgrund der sportlichen Ausgangssituation, sondern vor allem wegen der geplanten Zuschauerrückkehr sehr besonders … Niroomand: Ja, wir möchten den Menschen mit diesem Spiel eine Perspektive für eine schrittweise Rückkehr zur Normalität, auch im Sport, geben. Die Initiative zur Zuschauerrückkehr ging in den vergangenen Wochen insbesondere von den Kultureinrichtungen aus. Zum Beispiel fand gestern in der Berliner Philharmonie ein erstes Konzert vor 1.000 Gästen statt. Der Sport gehört wie die Kultur zum gesellschaftlichen Leben und hat deshalb ähnliche Projekte parallel vorangetrieben. Die Stadt Berlin hat daraufhin in enger Abstimmung mit den Klubs drei Sportstätten für ein Pilotprojekt ausgewählt: Die Max-Schmeling-Halle, die Mercedes-Benz-Arena sowie das Stadion an der Alten Försterei. Weil das Playoff-Halbfinale am Mittwochabend unser letztes Heimspiel dieser Saison sein könnte, haben wir uns entschlossen, diese Herausforderung kurzfristig stemmen zu wollen und als Pilotverein voranzuschreiten. Wenn die Veranstaltung wie geplant stattfinden kann, wäre das nicht nur für den Volleyball, sondern für den gesamten deutschen Sport ein Signal der Zuversicht.
Was sagst Du zum Vorwurf eines größeren Heimvorteils bzw. einer Wettbewerbsverzerrung? Niroomand: Das ist wirklich das allerletzte, was bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt hat. Wir haben schon am Saisonbeginn betont, dass der sportliche Erfolg in dieser für alle Klubs enorm schwierigen Spielzeit nicht vorrangig ist. Natürlich hätten wir diesen gern, in uns schlägt schließlich ein Sportlerherz. Wenn jedoch die Dürener, mit denen uns sowohl auf Vereins- als auch auf Fanebene eine lange Freundschaft verbindet, in die Finalserie einziehen, werden wir ein fairer Verlierer sein. Wir gönnen jedem den Titel, der sich diesen in dieser ganz besonderen Saison erspielt und erarbeitet. Ich bin mir sicher, auch die Dürener Spieler freuen sich, endlich mal wieder vor Publikum auflaufen zu dürfen.
Wie ist dieses Pilotprojekt wirtschaftlich zu bewerten? Niroomand: Geld werden wir mit diesem Spiel sicher keines verdienen, darum geht es uns aber auch nicht. Wir nehmen den enormen Arbeitsaufwand auf uns, auch auf die Gefahr hin, dass es eine kurzfristige Absage geben kann. Allein die Logistik und Errichtung des Testzentrums ist mit hohen Kosten verbunden. Wir haben hier mit DoctorBox sowie Avenida Care zwei fachkundige Partner, die viel in dieses Pilotprojekt investieren. Aber auch wenn die Tickets beinahe ausverkauft sind, müssen wir uns auf ein Minus im fünfstelligen Bereich einstellen. Aber wie gesagt: Wir wollen ein Zeichen der Hoffnung für die gesamte deutsche Sportlandschaft setzen, darum ist es uns das alles wert.
Für wie realistisch hältst Du, dass es angesichts der Inzidenzzahlen am Mittwoch wirklich zu einem Spiel vor Fans kommt? Niroomand: Uns sind die steigenden Infektionszahlen absolut bewusst und wir stehen im engen Austausch mit der Politik. Wenn die Experten uns angesichts der Inzidenz-Entwicklung von der Durchführung abraten oder die Senatsverwaltung eine Entscheidung trifft, werden wir sofort die Notbremse ziehen. Auch dafür sind wir vorbereitet. Wir haben bei allen unseren Bemühungen immer herausgestellt, dass die Gesundheit der Bevölkerung weiterhin an erster Stelle steht. Lockerungen bleiben bis zu einer massiven Verbesserung der Impfquote ein Balanceakt. Ich denke jedoch, viele Menschen können unsere Initiative nachvollziehen. Gelingt das Projekt, kann es ein Türöffner für den Berliner und den bundesweiten Sport sein.
|