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Erinnerungen mit Paul Carroll: Initialmomente für Schott, Perry und die BR Volleys
Am Mittwoch (18. Dez um 19.30 Uhr) können die BR Volleys im Heimspiel gegen Greenyard Maaseik (BEL) einen Riesenschritt in Richtung K.o.-Phase der CEV Champions League machen. Erstmals seit 2018 endet diese wieder mit einem Final Four – das die Berliner in ihrer Historie zweimal erreichten, nämlich 2015 und 2017. Ruben Schott und Paul Carroll haben beide Turniere miterlebt und erinnern sich an spezielle Momente, Tiebreaks, die Begeisterung im Team und bei den Fans. Teil 2: HALL OF FAMER Paul Carroll.
Als Paul Carroll 2011 von Generali Haching zu den BR Volleys wechselte, waren die Berliner noch die ständigen Herausforderer des VfB Friedrichshafen. Als der australische Diagonalangreifer sieben Jahre später nach Krasnojarsk in Russland weiterzog, hatte sich das Bild gedreht und er mit seinem Klub sechsmal die deutsche Meisterschaft gewonnen. Zudem war Carroll, der heute mit seiner Frau Erin und ihren drei gemeinsamen Kindern in Los Angeles lebt, wo er als Master of Business für das Unternehmen UBS Financial Services arbeitet, bei den Final Fours 2015 und 2017 dabei. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm das Heimturnier in der Max-Schmeling-Halle.
„Da war große Begeisterung im Klub, als nach der erfolgreichen Gruppenphase feststand, dass wir 2015 als Gastgeber dabei sein würden – aber auch viel Druck“, erzählt der 38-Jährige, „die drei anderen Teams mussten sich noch in den Playoff-Runden qualifizieren, aber wir wussten schon, dass wir dabei sind. Wir haben uns einen Monat lang nur darauf vorbereitet. Ich habe es einerseits genossen, aber es war auch anstrengend für das Team.“ Die Berliner wollten schließlich beweisen, dass sie nicht nur ein sehr guter Gastgeber sein können, sondern sich ihren Platz in Europas Spitze auch verdient hatten. Es war das letzte Jahr unter Trainer Mark Lebedew, das stand bereits fest. „Man konnte seine Nervosität spüren wie im ganzen Klub. Da war aber zugleich eine riesige Vorfreude. Es war eine nervöse Vorfreude, würde ich sagen.“
Der Volleyballtempel wurde herausgeputzt, eine Zusatztribüne aufgebaut, damit mehr als 9.000 Menschen zuschauen konnten. Die Mannschaft bekam vieles davon mit, denn sie trainierte in der Woche vor dem Turnier ausschließlich in der Arena in Prenzlauer Berg, was sonst unüblich ist. Und dann war endlich der große Tag da: „Es war eine unbeschreibliche Atmosphäre, als wir in die Arena kamen, und es war noch mehr los als üblich. Da waren auch ganz viele polnische Fans, die uns unterstützten im Halbfinale gegen Zenit Kasan mit Wilfredo Leon, Matthew Anderson und Maxim Michailow. Leon war damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Aber wir hielten als Team zusammen und der ganze Klub stand hinter uns. Dazu die Fans. Das Berliner Management hat einen unbeschreiblichen Job gemacht, das Final Four zu organisieren. Es war für mich ein tolles Gefühl, in diesem Moment ein Teil dieses Klubs zu sein.“
Dass Zenit in jener Zeit beinahe als unbesiegbar galt, wurde verdrängt. Tatsächlich gewann Kasan viermal in Folge die Champions League, beginnend in Berlin. „Natürlich, von der Papierform her waren sie Favorit, aber wir standen auf unserem Homecourt, den wollten wir verteidigen. Wir haben alles, was in uns war, auf dem Feld gelassen. Jeder Satz war wie eine Schlacht.“ Den ersten gewannen die Russen nach erbittertem Kampf mit 26:24, doch der Widerstand der BR Volleys war nicht gebrochen. Den zweiten schnappten sich die Gastgeber gegen einen unerwartet etwas nervös gewordenen Kontrahenten 25:21. Entscheidend war der dritte Durchgang: 25:22 für Zenit, das seine Sicherheit wiedergefunden hatte und den Schlusssatz 25:15 gewann. „Es war tough, und wir waren sehr enttäuscht“, sagt Carroll, „doch dann sagten wir uns: Okay, das Spiel gegen Kasan haben wir zwar verloren, aber das Spiel hat auch unser Selbstvertrauen gestärkt.“
Besonders stolz ist er, dass sein Team sich deshalb nicht aufgab. „Wir haben es geschafft, für das Spiel um Platz drei gegen Belchatow zurückzukehren. Und so gut zu spielen unter diesem Druck.“ Skra hatte das andere, rein polnische Halbfinale gegen Rzeszow verloren. Als Vierter wollte niemand das Turnier beenden. Also lieferten sich beide Mannschaften einen fast dreistündigen Kampf, der natürlich in einen Tiebreak mündete. „Die Coaches und alle Spieler können sehr stolz sein, wie wir uns geschlagen haben. Vor unseren Fans diese Bronzemedaille zu gewinnen, das war einer der Höhepunkte in meiner Karriere“, sagt Carroll, „es war so dramatisch am Ende, jeder in der Arena konnte spüren, wie intensiv das war.“ Und dann der achte Matchball zum 23:21, der brachiale Aufschlag von Francesco di Marchi. Der Italiener hatte das ganze Jahr über nicht viel gespielt – gegen Belchatow wurde er als Matchwinner gefeiert. „Es war schön zu sehen, wie er nach einer persönlich schwierigen Saison im richtigen Moment da war. Die Stammspieler hatten in dem Moment ihre Probleme, da war es sehr wertvoll, dass er zu diesem Zeitpunkt performte.“
Carroll ist noch etwas in Erinnerung geblieben, das weitere drei Jahre zurücklag – eine Saisoneröffnungsrede von Geschäftsführer Kaweh Niroomand. „Da hat Kaweh gesagt, eines unserer Ziele als Verein sollte sein, uns bis 2020 einmal für das Final Four der Champions League qualifiziert zu haben.“ Als Gastgeber geschah das dann bereits 2015, und 2017 gelang tatsächlich der sportliche Durchmarsch zum Turnier der besten Vier Europas. Weil der Favorit Dynamo Moskau im Viertelfinale zweimal mit 3:2 bezwungen wurde. Zu Hause nach einem 0:2-Satzrückstand, im in mehrfacher Hinsicht sehr kühl wirkenden Moskauer Sports Palace nach einem 1:2. „Es war ziemlich kalt in der Halle. Es gab auch keine heiße Atmosphäre wie bei uns“, sagt Carroll, „das war sehr herausfordernd, denn wir waren von zu Hause etwas ganz anderes gewohnt.“ Doch die BR Volleys ließen sich davon genauso wenig aufhalten wie von der beeindruckenden Physis des Kontrahenten. Was nach Meinung des Australiers nicht zuletzt an seinem Landsmann Luke Perry lag.
Der kleine Libero – heute als einer der Weltbesten seines Fachs in der polnischen PlusLiga aktiv – wuchs über sich hinaus. Weil Dynamo bei seinen Aufschlägen vor allem den leicht verunsichert wirkenden Robert Kromm anvisierte, übernahm Perry die Annahme vorübergehend fast komplett. Er schob seinen 32 Zentimeter größeren Kollegen beiseite und signalisierte seinen Gegenübern: Seht her, ich decke das halbe Feld ganz allein ab. „Er bekam den Ball, spielte ihn exakt ans Netz, wir machten den Punkt, und er forderte den Gegner auf, das nächste Mal wieder ihn anzuspielen. Sein Selbstbewusstsein übertrug sich auf mich, auf uns. Wir waren bereit zu tun, was nötig war, um zu gewinnen. Jeder kannte seine Rolle, seine Verantwortung. Wir wussten, der andere werde seinen Job machen. Das hat uns unglaublich viel Stärke gegeben.“ Und die Mannschaft, die Trainer den ganzen Verein mit Stolz erfüllt. „Jetzt waren wir beim Final Four. Wir hatten gezeigt, dass wir Spiele gewinnen können, die man gewinnen muss, wenn man ins Final Four will. Das war sehr speziell, uns das zu beweisen, dass wir ein Topteam in Europa waren.“
An Rom denkt Carroll nicht so gern zurück, es ging wieder gegen Kasan, „und es ging nicht in unsere Richtung“. Viel schöner war der Weg nach Rom, mit Perry im Mittelpunkt in Moskau und einem anderen Mitspieler gegen Istanbul BBSK in der Qualifikationsrunde zuvor. „Wir standen mit dem Rücken zur Wand.“ Das Spiel in der Türkei ging 2:3 verloren, beim Rückspiel im Volleyballtempel führten die Gäste 2:0. Der noch junge Außenangreifer Ruben Schott haderte mit seiner Leistung, seiner Annahme, seinen Pässen. „Ich glaube, am Ende seiner Karriere wird Ruben einer der besten deutschen Spieler aller Zeiten sein“, beginnt Carroll sein Loblied auf den damals 22-Jährigen, „und der Start seiner Karriere war dieses Spiel gegen Istanbul. Es lief nicht gut für ihn. Doch wir hatten niemanden, keinen weiteren Außenangreifer, ihn zu ersetzen. Wir brauchten ihn, es gab keine Option. Wir kamen zusammen, sagten ihm, dass wir ihm vertrauen, weil wir wussten, wie gut er im Training spielte. Und von dem Moment war er ein anderer. Seine Annahme wurde so gut, dass sich unser gesamter Angriff steigerte und wir in der Lage waren zu gewinnen.“ So ging es weiter. Weil die Berliner das Final Four in Rom erreichten, wurde die Finalserie auf den Modus „best of three“ verkürzt. Das BR Volleys Team verlor das erste Spiel, fuhr in die ewige Stadt und kehrte von dort mit dem Nackenschlag von zwei Niederlagen zurück nach Deutschlands. Die mentale Herausforderung hätte gegen einen starken VfB Friedrichshafen um Trainer Vital Heynen nicht größer sein können.
„Wir wurden Deutscher Meister mit Ruben als Starter. Von dem Augenblick an, in den vergangenen sieben Jahren, ist er immer besser geworden. Aus meiner Sicht war das der Moment, in dem Ruben begann, ein großer Spieler zu werden. Er musste liefern, und er tat es. Auch gegen Moskau und Friedrichshafen spielte er sehr gut. Das ist eine meiner stärksten Erinnerungen aus dieser Zeit. Er zeigte seine Mentalität, als er sich in einem sehr schwierigen Moment für das Team steigerte.“ Schott erzielte mit voller Überzeugung den spektakulären Punkt zum Gewinn der Meisterschaft am Bodensee. Anschließend führte sein Weg nach Italien zum Verein des damaligen Bundestrainers Andrea Giani.
Paul Carroll, der im Januar 2023 wegen seiner Aufnahme in die HALL OF FAME der BR Volleys nach Berlin gekommen war, hat noch immer einen guten Kontakt zu seinem damaligen Zuspieler Kawika Shoji, schreibt sich per WhatsApp Nachrichten mit Robert Kromm, Sebastian Kühner und hin und wieder Kaweh Niroomand. „Ich genieße meine Arbeit“, sagt er, „aber ich vermisse Volleyball.“ Dass er mal wieder einen Abstecher nach Berlin macht, kann er nicht versprechen, aber ganz gewiss drückt er seinem Verein, den BR Volleys, die Daumen, dass es eines Tages wieder mit dem Erreichen des Final Fours klappt.
Tickets für das richtungsweisende dritte Spiel in der CEV Champions League 24/25 gegen Greenyard Maaseik sind hier erhältlich: www.br-volleys.de/ticketshop