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Kein Spiel wie jedes andere: Gentleman Joel Banks gegen Greenyard Maaseik
Ein klarer Sieg in der Gruppenphase der CEV Champions League gegen Greenyard Maaseik an diesem Mittwoch (18. Dez um 19.30 Uhr) könnte den BR Volleys schon den Sprung in die Playoff-Runde bescheren. Für Berlins Cheftrainer Joel Banks ist es das zweite Wiedersehen mit dem renommierten Klub aus Belgien, bei dem ihm der Durchbruch auf die europäische Bühne gelang, mit dem er aber nicht nur positive Erinnerungen verbindet.
„Emotional“. In einem Wort fasst Joel Banks zusammen, wie es sich anfühlte, zurück zu sein in der Steengoed Arena, in der er fast sechs Jahre lang Trainer war, eine Saison als Assistent, viereinhalb Spielzeiten als Chef. Wo er zweimal mit Greenyard Maaseik die Belgische Meisterschaft gewann und dennoch im Januar 2022 von der Klubführung entlassen wurde. Wo er vor knapp vier Wochen mit seinem aktuellen Team von den Berlin Recycling Volleys das Champions-League-Hinspiel klar 3:0 gewonnen hat. Wie aufgeladen Banks innerlich war, konnte jeder in der Arena und im Livestream an dem Urschrei hören, den der 49-Jährige nach dem verwandelten Matchball von sich gab.
Nicht allein die sportliche Komponente wühlte seine Gefühlswelt auf. In vielerlei Hinsicht ist seine Beziehung zu Maaseik, zu Belgien, eine besondere. Auf der Tribüne saßen seine Frau und seine beiden Kinder, die eine halbe Autostunde entfernt in dem Haus leben, das die Familie bis vor Kurzem noch gemeinsam bewohnte und wohin Banks so oft wie möglich zurückkehrt. Diesmal bot sich die Gelegenheit dazu. Wobei auch die Menschen in Maaseik ihn kaum loslassen wollten. „Schon als wir zum ersten Training in die Halle kamen, waren dort all die Leute, die ich kenne, immer noch dieselben wie früher“, erzählt Berlins Headcoach, „von denen, die darauf achten, dass die Toiletten sauber sind, bis zu denen, die das Spielfeld vorbereiten oder das Drumherum aufbauen.“ Er wurde sogar auf ein Bier eingeladen. „Ich sagte: Nein danke, ich habe doch gleich Training! Die Begrüßung war unbeschreiblich warm. Dann sah ich die Spieler, den Staff, die Fans, und es fühlte sich an, als wäre ich nie weg gewesen. Das blieb die ganze Zeit so, in der wir dort waren.“
Um die Emotionen des gebürtigen Briten, der auch einen belgischen Pass hat, noch besser zu verstehen, hilft ein Blick auf seinen Werdegang. Ungewöhnlich genug, dass ein Engländer so volleyball-verrückt ist wie er – die Sportart ist in seiner Heimat in etwa so populär wie Biathlon. Das beirrte den Mann aus Portsmouth nicht, voller Ehrgeiz trieb er seine Karriere voran. Als junger Profi mit Anfang 20 ging der damalige Zuspieler nach Belgien, wo er drei Jahre bei kleineren Klubs sein Geld verdiente. Schnell lernte er: „Maaseik war DAS Team in Belgien. Der Klub mit den roten Trikots, der die Titel abräumte, der in der Champions League das Final Four erreichte“, gerät Banks noch heute ins Schwärmen. Maaseik hatte den legendären Schweden Anders Kristiansson als Coach. Ein gewisser Vital Heynen, inzwischen selbst ein Weltklassetrainer, war sein Zuspieler.
„Ich wusste, dass ich als Spieler niemals gut genug sein würde“, sagt Banks, „aber später als Trainer, stellte ich mir vor, könnte ich es schaffen, in diesen Klub zu kommen.“ Was damals nicht mehr als Träumerei war, sollte sich Schritt für Schritt durch Fleiß und Akribie bewahrheiten. Seine erste Station als Cheftrainer hatte er bei Langhenkel Volley in Doetinchem, wo er 2012 Holländischer Meister wurde. Anschließend betreute Banks das britische Olympiateam in London, danach wechselte er an die belgische Eliteschule in Vilvoorde. Dann wurde ihm 2016 tatsächlich der Job als Assistenztrainer bei Greenyard angeboten, ein Jahr darauf folgte die Beförderung. 2018 und 2019 gewann Banks mit dem Klub die Belgische Meisterschaft, konnte seine Visitenkarte in der Champions League abgeben. Er war angekommen in Europas Spitze, ein außergewöhnlicher Aufstieg.
Was kann schöner sein, als wenn Träume sich erfüllen? „Ich würde sagen, 99 Prozent meiner Zeit in Maaseik war fantastisch. Das war mein Klub, ich habe mein Herz und meine Seele für ihn gegeben, das Beste, was ich geben konnte.“ Es tut allerdings besonders weh, wenn ein solcher Traum zerplatzt. „Ich war sehr traurig, als ich gefeuert wurde. Das eine Prozent, das mir nicht in guter Erinnerung geblieben ist, waren diese letzten zwei Wochen. Es hat mich als Mensch verletzt. Viele Freunde und Kollegen sagten mir, sie verstünden die Entscheidung des Klubs nicht. Ich war wütend, weil ich es unfair fand.“ Enttäuschung, Verletzung, Wut – doch „Hass oder Bitterkeit habe ich nicht gespürt. Maaseik hatte und hat immer einen Platz in meinem Herzen.“
Bei aller Liebe: „Als jetzt im Hinspiel die Pfeife des Schiedsrichters erklang, ging es nur ums Gewinnen.“ Er habe sich auf diesen Moment gefreut, seitdem er entlassen worden war, denn er wusste: „Der Tag wird kommen.“ Revanche-Gelüste? „Zum Teil“, gibt Banks zu, „als die Auslosung der Champions-League-Gruppen dieses Duell ergab, dachte ich mir: Vielleicht ist es der Augenblick, etwas klarzustellen. Ich wollte dabei korrekt auftreten.“ Und ein Kapitel für sich abschließen. Joel Banks ist nun längst in Berlin angekommen. Nach einem unerfreulichen halben Jahr bei Skra Belchatow (POL), wo ihm ebenfalls im Januar (2023) gekündigt wurde, hatte sein Agent einen Anruf von BR Volleys-Geschäftsführer Kaweh Niroomand erhalten; man wolle sich über ein Engagement unterhalten. „Ich war sehr glücklich, auch Berlin stand auf der Liste mit meinen Zielen, so wie Maaseik.“ Genau wie der Plan, als erster britischer Volleyball-Coach ein ausländisches Nationalteam zu trainieren. Den setzte er mit Finnland in die Tat um. Und viele Titel zu gewinnen. Daran arbeitet er in Berlin erfolgreich.
„Wir sind mit Joels Arbeit und seinen Ergebnissen sehr zufrieden“, sagt Niroomand, „er ist unglaublich diszipliniert, sehr strukturiert und ein sehr guter Kommunikator. Dazu hat er sehr viel von diesem höflichen britischen Stil an sich, sehr gute Umgangsformen. Das Feedback, das wir aus der Mannschaft, der Geschäftsstelle oder von unseren Partnern bekommen, ist durchweg positiv.“ Viel Lob, das Joel Banks, der Gentleman, zurückgibt: „Ich hatte in Maaseik eine sehr intensive Beziehung zu dem Klub und zu den Fans – ich habe das jetzt aber auch schon in Berlin.“
Eine weitere Eigenschaft verbindet beide Seiten: Ehrgeiz. „Ich habe diese Berlin-Sehnsucht in mir, immer erfolgreich zu sein, noch mehr zu gewinnen“, sagt Banks. Am Ende der vergangenen Saison, nach Finalspiel fünf gegen Friedrichshafen, hat er deshalb einen ähnlichen Urschrei losgelassen wie jüngst in Belgien. „Wie mein Vorgänger Cedric Enard Pokal, Meisterschaft, Supercup zu gewinnen und das Viertelfinale der Champions League zu erreichen: Das hatte ich selbst von mir erwartet. Aus meiner Sicht hatte ich geliefert.“ Nichts anderes erwartet Banks von sich in dieser Spielzeit. Ein weiterer klarer Sieg gegen seinen Ex-Verein wäre dafür sehr wichtig.
Sicher werden die Emotionen diesmal nicht mehr ganz so stark sein wie vor vier Wochen. Trotzdem wird es kein Spiel wie jedes andere. „Als ich jetzt dort war, haben mich viele Leute gefragt, wann ich zurückkomme“, berichtet Banks. Das wird so bald nicht passieren, dafür ist die Liste seiner Ziele noch zu lang. Darauf steht zum Beispiel, dass er wieder ein Nationalteam coachen möchte. So sehr er es als Ehre empfunden hat, das in Finnland zu tun, seine Ambitionen sind gewachsen. „Ich will ein Team zur Weltmeisterschaft oder zu Olympischen Spielen führen. Und wenn mir das gelingt, will ich eine Medaille gewinnen.“ Banks, der im April 50 Jahre alt wird, hat noch einiges vor.
Das Leben eines Coaches, der in der großen, weiten Volleyball-Welt arbeitet, ist aufregend. Es kann nur manchmal auch recht einsam sein. Er telefoniere jeden Tag mit seiner Familie, so Banks, „ich vermisse meine Frau, meine Kinder. Aber in dieser Situation geht es nicht anders“. Der Trainer geht klar und ehrlich damit um, deshalb antwortet er offen auf die Frage, ob Berlin für ihn ein Zuhause sei. „Das kann ich nicht sagen. Mein Zuhause ist, wo meine Familie ist.“ Das bedeutet nicht, dass er sich nicht wohlfühlt, im Gegenteil: „Ich fühle mich hier willkommen. Alle haben mich von Anfang an wie einen von ihnen aufgenommen.“ Er genießt es, nach den Spielen mit den Fans abzuklatschen. „Ich liebe die Kultur hier, die Menschen, die ich getroffen habe. Sie sind freundlich, warm und offen. Du kannst du selbst sein.“ Aber was, wenn Belgien ihn zurückhaben wollte? „Never say never“, sagt der Engländer, was man wohl nicht übersetzen muss. Er hat die belgische Nationalität, ein Haus in Belgien, in der Provinz Limburg, „ich bin stolz, ein Limburger zu sein“. Das klingt nach: Irgendwann wird er zurückkehren. Nur nicht jetzt. Maaseik muss noch ein Weilchen warten.
Tickets für das Heimspiel der BR Volleys in der CEV Champions League am 18. Dezember um 19.30 Uhr gegen Greenyard Maaseik gibt es hier: www.br-volleys.de/ticketshop