Herr Carroll, in gut zwei Wochen können Sie mit den BR Volleys den DVV-Pokal gewinnen. Wie wichtig wäre dieser Pokalsieg jetzt? Paul Carroll: Es wird ein ganz, ganz wichtiges Spiel für Berlin. Ich persönlich habe ja schon einmal den Pokal mit Haching gewonnen und ich bin mit dem Ziel nach Berlin gekommen, auch hier den Pokal zu holen. Bisher wollte das nicht so klappen. Jetzt wird es Zeit. Wir haben das Halbfinale gegen die United Volleys in unserer Arena gespielt und lagen im Tiebreak 0:4 zurück. Im Normalfall verlierst du ein solches Spiel. Ich habe an die Hallendecke geschaut, wo das Plakat vom letzten Pokalsieg aus dem Jahr 2000 hängt. Und ich dachte mir: „Nein, wir scheiden jetzt hier nicht aus. Dieses Jahr sind wir wieder dran.“ Dann habe ich und dann hat die Mannschaft nochmal alles gegeben. Und es hat gereicht. Jetzt müssen wir noch den letzten Schritt tun. Das wird nicht leicht.
Wie schätzen Sie den TV Ingersoll Bühl als Gegner ein? Die Bühler feiern gerade einen Sieg nach dem anderen. Sehen Sie sich jetzt überhaupt noch als Favorit? Carroll: Bühl hat eine gute Mannschaft, sie haben uns in dieser Saison bereits geschlagen. Zuvor hatten wir noch kein Spiel verloren. Das zeigt die Qualität, die dieses relativ junge Team besitzt. Wir haben also in Bühl erlebt, dass man ein solches Spiel gegen einen vermeintlichen Außenseiter durchaus verlieren kann. Aber ich glaube schon, dass wir immer noch der Favorit sind, weil wir viel Erfahrung mit in dieses Endspiel bringen.
Sie zum Beispiel haben Erfahrung mit dem DVV-Pokalsieg. Können Sie einem Team wie den BR Volleys in diesem Punkt etwas mit auf den Weg geben? Carroll: Wir haben in unserem Team viele Spieler, die ganz viel Erfahrung aus wichtigen Spielen mitbringen. Unser Europameister Nicolas Le Goff zum Beispiel, der mit Frankreich auch amtierender World-League-Sieger ist. Oder Tomas Kmet, der den Pokal auch schon einmal gewonnen hat. Wichtig ist, glaube ich, dass wir alles so machen, wie immer. Wir müssen unsere Routinen beibehalten, besonders in der Vorbereitung. Es ist eine neue Arena, ein neuer Pokal, 10.000 Fans – da müssen wir schauen, dass wir bei uns bleiben und dann wird das hoffentlich gut ausgehen.
Nach den Niederlagen gegen Bühl und Friedrichshafen gelang gegen Düren zuletzt wieder ein Sieg. Wie wichtig ist es, dass man vor einem solchen Alles-oder-nichts-Spiel auch in der Bundesliga erfolgreich ist? Carroll: Es waren unsere ersten Bundesliga-Niederlagen in dieser Saison. In einer solchen Situation braucht man so einen recht klaren Sieg, sonst rutscht man in eine Krise. Wir hatten in Düren erstmals seit zwei Monaten wieder unsere Starting-Six ohne Verletzungssorgen auf dem Parkett und hoffentlich bleibt das nun so, denn natürlich muss man vor einem solchen Finale gut spielen.
Sie sind Australier. Können Sie den deutschen Fans etwas über den Status von Volleyball in ihrem Heimatland erzählen? Carroll: In Australien gibt es keine Profiliga – das ist natürlich ein Unterschied zu Deutschland. Aber mit der Nationalmannschaft spielen wir in der World League und zuletzt auch im World Cup. Die Zuschauer schauen sich eigentlich nur Spiele der Nationalmannschaft an. 2014 haben wir zu Hause in der World League gegen Frankreich gewonnen. Da waren 5.000 Zuschauer dabei, so viele waren es noch nie. Man spürt seitdem ein wachsendes Interesse am Hallenvolleyball. Der größte Gegner ist einfach das Wetter. Es ist ja oft sehr warm, da sind die Leute lieber am Strand und spielen Beachvolleyball. Es gibt auch wirklich wenige Sporthallen. Deswegen haben wir Australier eigentlich nur die Möglichkeit, im Ausland in einer Profiliga zu spielen.
Und trotzdem sind Sie Volleyball-Profi geworden. Wie kam es dazu? Carroll: Meine Brüder haben bereits Volleyball gespielt und dann habe ich eben auch damit angefangen. In unserer Highschool war ich noch Zuspieler und nur gut 1,80 Meter groß. Aber zwischen meinem sechzehnten und siebzehnten Lebensjahr bin ich knapp 30 Zentimeter gewachsen und konnte plötzlich auch Angreifer sein. Ohne diesen Wachstumsschub wäre ich wahrscheinlich nicht Profi geworden. Ich bin danach in die USA gegangen, denn dort hatte ich die Möglichkeit, professionell zu trainieren.
Bevor Sie in die Bundesliga kamen, waren Sie auch in Italien. Jetzt sind Sie schon einige Jahre in Deutschland. Was zeichnet die Bundesliga aus? Carroll: Der größte Unterschied ist natürlich, dass in Deutschland nur die ersten vier bis sechs Mannschaften sehr stark sind und dann fällt das Niveau deutlicher ab als in Italien. Dort ist die Lücke nicht so groß. Aber ich mag die Bundesliga trotzdem sehr, weil es hier weniger um die Karriere eines Einzelnen geht. In Deutschland kämpft jeder für ein Team und die Teams für die Spieler. Auch, wenn es mal schlecht läuft. In Italien kann es dir passieren, dass du kein Geld bekommst, wenn du einen schlechten Tag erwischt hast. Das hängt von der Laune des Teammanagers ab. Und dort spielt einfach jeder für sich. In Deutschland ist das ganze mehr als ein Job. Man spielt für seine Stadt und für die Fans. Ich fühle mich mit den BR Volleys verbunden und ich habe mich damals mit Haching verbunden gefühlt.
Quelle: VBL
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