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Wie Auftaktgegner Giesen zu einem Topteam wurde
Das lange Warten hat ein Ende, die Volleyball Bundesliga startet in ihre 51. Saison - und das gleich mit einem Spitzenspiel für die Berlin Recycling Volleys. Der Titelverteidiger empfängt am Samstag (21. Sep um 18.00 Uhr) die Helios Grizzlys Giesen im Volleyballtempel Max-Schmeling-Halle. Die Niedersachsen waren vergangene Saison Tabellenzweiter und scheiterten im Playoff-Halbfinale nur sehr knapp am VfB Friedrichshafen. Der Champions-League-Debütant hat sich zu einem der Topklubs der Liga entwickelt.
Wer oder was steckt hinter dem Erfolg? Ein WhatsApp-Anruf bei Sascha Kucera gibt schon die erste Antwort, noch bevor eine Frage gestellt ist. „Machen ist wie wollen“, steht da im Profil des Grizzlys-Geschäftsführers, „nur krasser“. Sein Motto passt sehr gut zu dem, was der 46-Jährige und seine Mitstreiter in den vergangenen Jahren aufgebaut haben. So wird auch in den Worten von Kaweh Niroomand direkt großer Respekt deutlich: „Giesen hat eine tolle Entwicklung genommen. Sie sind ein ganz wichtiger Standort geworden für die Volleyball Bundesliga. Ein wichtiger Hoffnungsträger und ein Baustein, dass die Liga sich weiterentwickelt.“ Ein Beispiel, wie es funktionieren kann.
Einige Zahlen verdeutlichen den enormen Aufstieg. „Als wir 2016 die Grizzlys GmbH mit drei weiteren Gesellschaftern und mir gegründet haben, hatten wir einen Etat von 80.000 Euro in der 2. Bundesliga“, berichtet Kucera, „jetzt sind wir so bei 1,3 bis 1,4 Millionen Euro. Vor sieben Jahren haben wir noch in Giesen in der Schulturnhalle vor 300 Zuschauern gespielt.“ 2017 ist der Verein ins rund zehn Kilometer entfernte Hildesheim in die Volksbank-Arena umgezogen. Bei den Halbfinal-Heimspielen gegen Friedrichshafen war sie dreimal mit 2.800 Zuschauern ausverkauft. „Die Entwicklung war bisher so, dass wir nach jedem unserer sieben Jahre in der Bundesliga davon sprechen konnten, dass die vorangegangene Saison die erfolgreichste der Vereinsgeschichte war“, sagt Kucera.
Der ehrenamtlich arbeitende Manager hat aber die Anfänge nicht vergessen. Der Familienvater, im Beruf Geschäftsführer der Helios-Kliniken in Hildesheim und Salzgitter, war sich nicht zu schade, ins Maskottchen-Kostüm der Grizzlys zu steigen, um vor dem Wechsel nach Hildesheim für seinen Verein zu werben. „Ich bin mit dem Trainer durch die Stadt gelaufen und habe Flyer verteilt. Wir wurden gefragt, ob wir die Handballer sind. Zum Glück hat man die Zornesfalten auf meiner Stirn nicht gesehen, weil ich ja im Kostüm steckte“, erinnert er sich, „ich war extrem enttäuscht.“ Die Handballer der Eintracht Hildesheim sind Drittligist. Giesen spielte schon viele Jahre in der 2. Bundesliga, hatte in der Saison 2008/09 sogar einen kurzen, wenngleich erfolglosen Auftritt im Oberhaus. „Und doch waren wir für die Hildesheimer ein ganz weißer Fleck.“
Das hat sich grundlegend gewandelt. Seither ging es sportlich, organisatorisch und wirtschaftlich stetig bergauf. Die treibende Kraft dabei ist Kucera. Er stammt aus einer Volleyball-Familie, hat 20 Jahre selbst gespielt, zwei davon in der Bundesliga für die SG Eltmann, ansonsten immer eine Klasse darunter, zwei Jahre auch in Giesen. Seine beiden Brüder spielten ebenfalls, sein Vater „war 15 Jahre lang mein Trainer“. Als vor knapp zehn Jahren in der Hildesheimer Zeitung ein Artikel erschien, in dem stand, dass ein ehemaliger Volleyballer Geschäftsführer bei den Helios-Kliniken wird, nahm sein Ex-Verein Kontakt zu ihm auf. Die Frage war, ob er sich in irgendeiner Form ein Engagement vorstellen könne. Seine Antwort: „Ja, wenn das Ziel heißt, Giesen in die Bundesliga zu bringen. Für die zweite Liga gebe ich mich nicht her. Ich will vorankommen.“ Machen ist wie wollen, nur krasser.
Kurz darauf wurde die Giesen Grizzlys Sport- und Eventmanagement GmbH gegründet – mit ihm als Geschäftsführer. Zwei Jahre später folgte der Aufstieg. Inzwischen sind die Niedersachsen etabliert, seit drei Jahren zudem Gastgeber des erfolgreichen Ligacup-Formats. Sie bereiten sich nach zwei Teilnahmen am CEV Challenge Cup nun auf ihren ersten Start in der CEV Champions League vor. Kucera sieht das alles mit gemischten Gefühlen. „Die kommende Saison wird für uns sehr schwer“, vermutet er, „weil das Umfeld erwartet, es geht immer so weiter. Nach zweimal Halbfinale in Meisterschaft und Pokal scheint klar: Jetzt kommt Finale.“ Aber die Konkurrenz schlafe nicht. „Berlin zieht vorn seine Kreise. Um Platz zwei bis sechs ist alles offen“, so seine aktuelle Einschätzung. Die Giesener Mannschaft, die sechs Zugänge zu integrieren hat, braucht noch etwas Zeit, das zeigte sich im Ligacup-Halbfinale gegen Friedrichshafen, das nach 2:0-Satzführung 2:3 verloren ging. Tags darauf spielte man gegen Lüneburg wieder einen Tiebreak – und war erfolgreich. Der Bronzeplatz sprang somit beim Heimturnier heraus.
Die leise Skepsis sollte nicht darüber hinwegtäuschen, wie ambitioniert das Hildesheimer Projekt ist. Ein Vergleich mit der SVG Lüneburg liegt nahe. Das ist auch ein Klub aus einer mittelgroßen niedersächsischen Stadt, in der die Volleyball-Begeisterung seit etwa zehn Jahren hohe Wellen schlägt. Es gibt auch dort ein seriös arbeitendes Management, das nicht bereit ist, mehr Geld auszugeben, als es einnimmt. Dazu einen Trainer mit Stefan Hübner, der seit vielen Jahren (seit 2014, Vertrag bis 2028) im Amt ist – wie sein Giesener Pendant Itamar Stein (seit 2016, Vertrag bis 2028). Es ist auch ein Verein, der es innerhalb weniger Jahre von der 2. Bundesliga in die Champions League geschafft hat.
Noch eine Parallele gibt es. „Was ich auf jeden Fall möchte, ist, dass wir mit Giesen mal irgendwann was Zählbares in der Hand halten“, wünscht sich der Grizzlys-Geschäftsführer, „irgendeinen Titel oder Pokal.“ Deshalb taugen die Lüneburger an dieser Stelle nicht als Vorbild, auch sie haben (noch) nichts dergleichen vorzuweisen. In den letzten Jahren war an den BR Volleys kein Vorbeikommen. „Wir arbeiten stetig daran, uns an dem Vorbild Berlin weiterzuentwickeln“, setzt Kucera hohe Maßstäbe. Er nennt sogar ein persönliches Vorbild: „Kaweh Niroomand. Schon als ich ein Junge war, lagen bei uns zu Hause immer Volleyball-Magazine auf dem Tisch“, erinnert er sich, „den Namen habe ich da schon gelesen. Ich wollte nie Trainer werden, sondern von Anfang an lieber auf die Manager-Schiene.“
Kucera arbeitet beharrlich am Vorankommen seines Vereins. Schritt für Schritt. „Letztes Jahr haben wir eine LED-Bande angeschafft“, sagt er. Die Sponsoren sollen gut bedient werden und den weiteren Aufstieg fördern. Beim Halbfinale der vergangenen Spielzeit gegen Friedrichshafen platzte der VIP-Bereich aus allen Nähten. Allein zehn weitere Geldgeber sind zur neuen Saison hinzugekommen. Die frischen Mittel dienen zur Finanzierung der Champions-League-Teilnahme („jetzt schon 50.000 Euro für Boden und TV-Übertragungen“) und zur Erweiterung der Geschäftsstelle. Momentan haben die Grizzlys ein Netzwerk von 60 bis 70 ehrenamtlichen Helfern, die an einem Spieltag mitwirken. Konrad Nave, lange Jahre Präsident des TSV Giesen, leistet an der Seite Kuceras als Prokurist der GmbH ehrenamtlich viel Arbeit. Hauptamtliche Kräfte gibt es aber erst zwei.
„Bei der Vorbereitung der Champions League oder des Ligacups merken wir, dass wir bei den Hauptamtlichen an Kapazitätsgrenzen stoßen“, sagt Kucera, „wir müssen jetzt auch in dem Bereich wachsen.“ Die positive Entwicklung solle nicht durch Arbeitsüberlastung gebremst werden, obwohl dadurch weniger Geld in die Infrastruktur gesteckt werden kann. Und in die Mannschaft. Konkurrenzfähig wird sie dennoch sein. Bei der Akquise von Verstärkungen half, dass Giesen Champions League spielt, ein Hauptargument für Spieler und ihre Agenten. „Wir haben eine bunte Truppe, in der jeder ein bedeutsamer Baustein ist. Mir ist wichtig“, erklärt Kucera, „dass die Mannschaft kämpft. Die Spieler sollen zeigen, dass sie Grizzlys sind und keine zahmen Bärchen. Die Zuschauer müssen das sehen. Wenn der andere eben besser ist, dann ist das auch okay.“ Für den Auftakt bei den BR Volleys wünscht er sich, „dass wir eine ähnlich gute Leistung hinbekommen wie bei unserem letzten Heimspiel gegen Berlin“. Das ging mit 3:0 an die Giesener, sie gewannen vergangene Saison überhaupt jede Partie der Bundesliga-Hauptrunde in ihrer Volksbank-Arena.
In der Hauptstadt genießen die Grizzlys nicht nur deshalb hohe Anerkennung. Das liegt auch an Sascha Kucera, der als Manager moderner Prägung das Wissen aus seiner beruflichen Karriere in seinen Volleyball-Klub zu stecken versteht. „Man muss heute in der Lage sein, so ein kleines Unternehmen aufzubauen, das macht er sehr ordentlich“, lobt Niroomand seinen Kollegen, „ich erlebe ihn als einen sehr engagierten, sehr offenen Volleyball-Vertreter, der über seinen Tellerrand hinausschaut. Er hat auch die Gesamtentwicklung der Liga im Blick, das schätze ich an ihm.“
Bei den Grizzlys schaut man eben nicht nur auf den Moment, nicht nur auf ein aktuelles Ergebnis, einen schnellen, vielleicht (zu) teuer erkauften Erfolg, sondern auf kontinuierliches Wachstum. So hat Kucera neben dem Fernziel, einen Titel zu gewinnen, einen weiteren Plan. „Vergangene Saison waren wir vier-, fünfmal ausverkauft“, sagt er, „das Ziel wäre, jedes Spiel ausverkauft zu sein und den Hype damit zu steigern.“ Die Erfahrung der jüngeren Vergangenheit sagt: Wenn die Grizzlys Giesen das wollen, werden sie es vermutlich auch machen.
Tickets für das erste Heimspiel der BR Volleys in der neuen Saison am 21. September um 18.00 Uhr gegen die Helios Grizzlys Giesen sind hier erhältlich: www.br-volleys.de/ticketshop