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Konstanz im Team hinter dem Team: Sie formen die BR Volleys
Anfang August haben die BR Volleys ihre Saisonvorbereitung aufgenommen und die Voraussetzungen sind in diesem Jahr vielversprechend. Das Trainer- und Betreuerteam ist frühzeitig komplett versammelt, auch der Großteil der Spieler hat mehr Zeit als üblich, sich in Form zu bringen. Eindrücke von einem Trainingstag beim Deutschen Meister.
Joel Banks erscheint eine Viertelstunde früher zum Training im Horst-Korber-Sportzentrum. Wie immer ist er voller Tatendrang. Erst recht in dieser Situation. Der Cheftrainer der Berlin Recycling Volleys ist vom ersten Tag der Saisonvorbereitung an dabei. Es gibt in diesem Jahr kein Nationalteam, das er betreut, nur seinen Job in Berlin. Nach einem mehrwöchigen Urlaub mit der Familie und mit Freunden. „Ich konnte meine Batterien gut aufladen“, erzählt der 49-Jährige. „Das ist schön.“ Vor allem ist das außergewöhnlich. „Es ist ein Vorteil, dass der Staff gleichgeblieben ist. Dass ich vom Beginn an hier bin, auch. So lernen wir uns jetzt noch besser kennen.“ Es sind zwar noch nicht alle Spieler am Start. Aber Banks, Co-Trainer Markus Steuerwald, Statistiker und Assistenztrainer Alexandre Leal, die beiden Physiotherapeutinnen Sophia Fronicke und Ina Dobelmann. Auch Aaron Koenigsmann. Mit dem Athletiktrainer arbeiten die Spieler während der sechswöchigen Saisonvorbereitung dreimal die Woche. Er übernahm die Tätigkeit vor einem Jahr von Timo Kirchenberger, der im Hintergrund weiterhin bei der Steuerung des Athletikstrainings unterstützt. „Es ist für sie anstrengend, aber die Jungs sind motiviert, ich habe einen guten Eindruck von den Spielern“, sagt der 27-Jährige Koenigsmann, „alles läuft strukturiert nach Plan.“
Vor einem Jahr war das etwas anders. Es war ein verrückter Start für Banks als Nachfolger von Cedric Enard bei den BR Volleys. Als Coach der finnischen Männer stand die Olympia-Qualifikation in Japan auf dem Programm. Viele Spieler waren ebenso mit ihren Nationalteams in aller Welt unterwegs. In Berlin leitete Steuerwald für die wenigen Verbliebenen die Übungen. Nur: Das komplette Trainerteam war neu zusammengestellt, man kannte sich kaum. Und musste doch gleich funktionieren, einander vertrauen, harmonieren und sich absprechen – oft über Videocalls. Aber, findet Steuerwald: „Es hat gepasst und passt immer noch.“ Alle drei nationalen Titel wurden gewonnen, in der Champions League gab es viele überzeugende Auftritte. Viel mehr ging kaum. „Es war schwer, aber wir haben das relativ gut gemacht“, bestätigt Banks.
Jetzt wird nach vorn geschaut. Die neue Saison darf genauso gut ausgehen, wenn es nach Banks geht. Andererseits liebt er nicht nur die Höhen seines Jobs, auch die Tiefen: „Dann will ich schaffen, da wieder herauszukommen.“ Es habe keinen Tag in seinem Leben gegeben, an dem er nicht gern zur Arbeit gegangen sei. Heute kommt er mal dazu, mit dem jungen Zuspieler Djifa Amedegnato eine Dreiviertelstunde Individualtraining zu machen. „Ich fühle mich gesegnet, dass ich als Volleyball-Coach meinen Lebensunterhalt verdienen kann“, sagt er. Dabei ist er doch im Fußball-, Rugby-, Cricket-Land England aufgewachsen. „Mein Vater war Rugbyspieler, er wollte nicht, dass ich das werde“, erklärt er, „Boxen hat er mir auch verboten. Ich konnte nichts besonders gut. Da ich aber Sport liebe, habe ich alles andere probiert.“ Mit 13 Jahren verliebte sich Banks in Volleyball. Weil er das Gefühl hatte, als Spieler nie Top-Level erreichen zu können, wurde er Coach. In den vergangenen knapp 20 Jahren hat er Titel in den Niederlanden und Belgien gewonnen und zuletzt in Berlin. Er gründete in Belgien seine Familie und hat deshalb neben dem britischen einen belgischen Pass. Im europäischen Volleyball hat der Name Banks einen guten Klang.
Den hat auch der Name Steuerwald – als Spieler. Der ehemalige Libero war 2012 bei den Olympischen Spielen in London der Beste auf seiner Position, also der Beste der Welt. Jetzt sieht er sich „als Lehrling. Ich lerne hier sehr viel von Joel, der schon seit einigen Jahren Cheftrainer ist.“ Eines Tages möchte er das selbst sein. Aktuell ist er mehr der Helfer. Manchmal gebe er Ideen und Anmerkungen an Banks weiter, der entscheidet dann. „Wir besprechen im Büro, was wir trainieren wollen und wie genau“, sagt Steuerwald, „dann teilen wir uns die Arbeit auf. Ich arbeite ihm zu und helfe der Mannschaft, so gut wie es geht.“
Gerade übt er mit Tim und Max, die Liberos vom VC Olympia sind zur Trainingsunterstützung dabei, die Feldabwehr. Als zu Beginn von Banks angesagt wurde, was gemacht wird, hatten sich die beiden zurückhaltend an den Rand gestellt, der Cheftrainer sie jedoch aufgefordert, sich unter die Profis zu mischen: „Ihr gehört zu uns.“ Er nennt sich selbst einen „People Manager, ich kann gut mit Menschen umgehen“. Steuerwald saugt alles auf. Er ist erst 35, viele Berliner Akteure kannte er schon als Spieler: „Mit Daniel Malescha war ich beim VfB Friedrichshafen drei Jahre Zimmerkollege. Mit Nehemiah Mote habe ich dort auch zwei Jahre zusammengespielt.“ Ruben Schott und Moritz Reichert kennt er aus gemeinsamen Nationalmannschaftstagen. Gegen Florian Krage oder Adam Kowalski ist er noch angetreten. 2021 wollte Steuerwald nicht mehr spielen, „ich konnte mir aber gut vorstellen, Trainer zu werden“. Mit seiner Frau, einer Modedesignerin, und den beiden Töchtern zog er nach Berlin. „Die Wahl war einfach zu treffen. Für mich gibt es hier Volleyball, für meine Frau Mode. Wir haben gern den Großstadttrubel und fühlen uns sehr wohl.“
Während Ina Dobelmann Banks und Amedegnato bei deren Übung als Anspielstation unterstützt und die Bälle in einen großen Korb weiterleitet, erzählt ihre Kollegin von den vier Jahren, die sie schon bei den BR Volleys verbracht hat. Das Aufregendste auf den Reisen, die sie beide mitmachen? „Dass ich schon zweimal einen Finger reponieren durfte“, schildert sie geradezu begeistert. Also einrenken, was irgendwie schräg seinen angestammten Platz an der Hand verlassen hatte. Physiotherapeutinnen sehen die Welt mit anderen Augen; wem in dem Moment schlecht wird, ist hier fehl am Platz. Mannschaftsarzt PD Dr. Oliver Miltner, der die medizinische Betreuung verantwortet, ist in der Regel nicht bei Auswärtsfahrten dabei. Also müssen im Notfall die Physios aus seiner Praxis ran. Sophia Fronicke übernimmt gern diesen verantwortungsvollen Part: „So was muss man können“, sagt sie. Ein Sprunggelenk einzurenken, wünscht sie sich allerdings auch nicht, „das ist ein ordentlicher Kraftakt. Das habe ich zum Glück noch nicht erlebt“.
Ansonsten waren ihre persönlichen Highlights bisher die Champions-League-Spiele gegen russische Teams. „Das sind Schränke, das ist eine andere Liga. Wenn du an denen vorbeiläufst als kleine Physio, dann denkst du: wow!“ Sie möchte am liebsten eines Tages – man ahnt es – ein Rugbyteam betreuen. „Wegen der medizinischen Herausforderung!“ Eines würde ihr dann aber sehr fehlen: „Die Teamarbeit mit Doc Miltner, da habe ich viel gelernt.“
So weit ist es noch nicht. Erst einmal blicken alle gespannt auf die neue Saison, die Mitte September mit dem 1KOMMA5° Ligacup in Hildesheim beginnt. „Auf alle Fälle ist es angenehmer als vergangene Saison“, sagt Koenigsmann, der Sport- und angewandte Trainingswissenschaften studiert hat und und auch die Bundesligateams des Berliner Hockey Clubs in Form hält, „das bringt uns einen Vorteil für die kommende Saison. Wir können mit einem besseren Fundament reinstarten.“ Zudem ist das Team hinter dem Team nun eben genau so gut eingespielt wie Johannes Tille mit seinen aus der letzten Saison verbliebenen Angreifern.
Eine weitere wichtige Personalie dabei: Statistiker Alexandre Leal. In diesem Sommer hat der Brasilianer mit Enard gemeinsam für das türkische Nationalteam gearbeitet. „Als er letztes Jahr kam, sagte er, er habe Erfahrung als Spieler und als Assistenztrainer. Er könne Markus beim Training zur Seite stehen“, erzählt Banks. „Sehr schnell war zu sehen, dass man ihn so einsetzen kann. Das ist ein großer Bonus für uns, er scoutet für uns die Gegner, erstellt die Statistiken zu den Spielen, aber kann auch als wertvolle Unterstützung im Training fungieren. Wir sind also zu dritt.“
Der Cheftrainer wirkt insgesamt zuversichtlich. „Letztes Jahr war verrückt in verschiedenerlei Hinsicht. Wir kamen spät zusammen. Die Zahl der Spiele war heftig. Aber auch für mich war es verrückt – ich kam in eine neue Stadt, in einen neuen Klub, eine neue Umgebung. Und allein.“ Nun folgt ihm seine Frau nach Berlin; beide Kinder studieren im Ausland, so ist der Umzug von Belgien problemlos möglich. Banks sagt, er genieße diese entspannte Situation, aber auf die Frage, ob er sich wieder eine Doppelfunktion als Vereins- und Nationaltrainer vorstellen kann, antwortet er sofort: „Ja.“ In dem Fall könnte er sich aber auf sein eingespieltes Trainer- und Medizinteam verlassen.
Ihr erstes Heimspiel der neuen Saison bestreiten die BR Volleys am 21. Sep um 18.00 Uhr gegen die Helios Grizzlys Giesen. Tickets gibt es jetzt hier: www.br-volleys.de/ticketshop