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Fünf Berliner träumen von Paris

Di 28.05.2024
Foto: FIVB/Volleyballworld
Foto: FIVB/Volleyballworld

Es ist noch ein Weilchen hin bis zu den Olympischen Spielen in Paris. Doch die Vorbereitung darauf ist in vollem Gange – auch im Volleyball, auch bei den Profis der Berlin Recycling Volleys. Beachvolleyballerin Louisa Lippmann, die sich Anfang des Jahres 2024 dem Hauptstadtklub angeschlossen hat, hofft mit ihrer Partnerin Laura Ludwig den Sprung zum wichtigsten Sportereignis der Welt noch zu schaffen. Qualifiziert hat sich bereits bei einem denkwürdigen Turnier in Brasilien die deutsche Männer-Nationalmannschaft in der Halle. Dabei waren fünf Spieler, die in der kommenden Saison das Trikot von Rekordmeister BR Volleys tragen werden. Wie stehen ihre Chancen, auch vom 26. Juli bis zum 11. August in Paris am Start zu sein?

„Ich könnte mir vorstellen, dass wir dort mit fünf Mann vertreten sind“, sagt BR Volleys Geschäftsführer Kaweh Niroomand. Die Rede ist von Ruben Schott, Johannes Tille und Tobias Krick, die Ende April den 14. Meistertitel mit ihren Teamkollegen der BR Volleys gewonnen haben. Und von Moritz Reichert sowie Florian Krage. Beide spielten vergangene Saison in Frankreich und sollen dabei helfen, auch die 15. Deutsche Meisterschaft nach Berlin zu holen. Zunächst mal allerdings wollen sie alle an den Olympischen Spielen teilnehmen. „Krick, Reichert, Schott, Tille – da gehe ich ganz sicher davon aus, dass sie es schaffen“, präzisiert Niroomand seine zuversichtliche Prognose, „ich denke aber, dass auch Florian Krage gute Karten hat.“

Die Spieler selbst gehen unterschiedlich mit ihrer Situation um. „Paris ist definitiv das Ziel, für das wir den ganzen Sommer trainieren“, sagt etwa Johannes Tille. Obwohl er innerlich optimistisch ist, dass Bundestrainer Michal Winiarski ihn mit nach Frankreich nimmt, „will ich mich nicht zu sicher fühlen, um auch weiterhin Vollgas zu geben“. Schließlich ist ihm nicht entgangen, dass sein Konkurrent auf der Zuspielerposition, Lukas Kampa, in einem Interview verkündet hat, für ihn sei Dabeisein nicht alles. „Er will sich seinen Startplatz nicht so leicht nehmen lassen, er will bei den Olympischen Spielen für Deutschland auf dem Feld stehen“, schildert der Berliner die Ausgangslage. Doch Tille hat bei der Qualifikation in Brasilien sehr überzeugend agiert, deshalb „will ich auch unbedingt in der Stammsechs sein“. Der Kampf ist eröffnet.

Der wird auf allen Positionen entbrennen außer auf der des Diagonalangreifers, wo der fast 40-jährige Weltklassespieler Georg Grozer unangefochten die Nummer eins ist. Winiarski hat angekündigt, dass der Kern der Mannschaft, die den Sprung nach Paris perfekt gemacht hat, auch nominiert wird. Doch anders als beim Qualifikationsturnier zählen bei Olympischen Spielen nicht vierzehn, sondern nur zwölf Spieler zum Kader. Da bahnen sich Härten an, abgesehen davon, dass der Pole die Tür auch einen Spaltbreit für Profis offenhält, die in Rio de Janeiro gar nicht zum Team gehörten. Das betrifft nicht zuletzt die Außenangreifer Schott und Reichert. „Auf unserer Position gibt es viele Bewerber, das ist kein Geheimnis“, sagt Reichert. Sicher fühlt er sich deshalb nicht, „jeder will gern bei dem Turnier dabei sein. Wichtig ist, dass man gut in Form ist, dass man weiß, man muss seine Leistung bringen. Ich versuche, alles zu geben, dann muss man gucken, was passiert.“

Bei den Mittelblockern hat Krick einen leichten Vorsprung vor Krage. Er hat nicht nur bei den BR Volleys gegen Saisonende sehr starke Leistungen abgeliefert. Vor allem hatte Krick gemeinsam mit Anton Brehme in Rio die größeren Spielanteile. Krage wird vermutlich Lukas Maase von Paris Volley in der Olympia-Vorbereitung hinter sich lassen müssen. Die hat schon begonnen, zunächst mit zwei 3:1-Testspielsiegen gegen die Ukraine und Polen. Im Aufgebot standen Reichert und Krage, genau wie bei der neuerlichen Reise nach Brasilien, wo das erste Turnier der Volleyball Nations League (VNL) stattfand und zumindest ein Sieg in den vier Spielen verbucht werden konnte (3:0 gegen Serbien). Für viele andere Nationen ist die VNL die letzte Chance, noch den Sprung nach Paris zu verwirklichen. „Weil wir schon qualifiziert sind, haben wir den Luxus, die VNL quasi als Training nutzen zu können“, erklärt Tille. Andererseits will der Bundestrainer seine Schützlinge unter Wettkampfbedingungen noch einmal genau studieren. Weitere Gelegenheiten bieten sich ihm dafür bei den VNL-Turnieren in Japan (01. bis 10. Jun), auf den Philippinen (16. bis 23. Jun) und eventuell beim Final 8 in Polen (27. bis 30. Juni). Schon in Japan rücken Schott, Tille und Krick in den Kader, die sich etwas länger von der Saison erholen durften. 

„Jeder bekommt die Chance, sich zu präsentieren“, sagt Moritz Reichert. Sicher wird der Kreis der Aspiranten für die zwölf Tickets zu den Olympischen Spielen (plus ein Ersatzspieler) von Woche zu Woche etwas geringer. Man muss abwarten, ob Winiarski tatsächlich alle fünf Berliner mit nach Paris nimmt, sozusagen auf einen Hauptstadt-Block setzt. In jedem Fall ist es ein großartiges Zeichen, dass so viele Spieler vom Deutschen Meister im Rennen sind. „Für den Verein und die Bundesliga ist das ein gutes Signal“, findet Reichert, der nach vier Jahren im Ausland zurückkehrt und sich „schon sehr auf Berlin freut. Der Verein macht eine gute Arbeit“. Umfeld, Fans, die Arena, die allgemeine Volleyball-Begeisterung in der Stadt motivieren ihn. „Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, durch die Champions League und den nationalen Wettbewerb regelmäßig auf hohem Niveau zu spielen. Und davon, dass mehrere Leute aus einem Verein kommen, kann auch die Nationalmannschaft profitieren.“

Ähnlich sieht es Tille. „Fünf Nationalspieler aus Berlin? Für die BR Volleys ist das ein tolles Zeichen, dass so viele deutsche Spieler in die deutsche Liga zurückkehren wollen und dann natürlich auch bei dem besten Klub der Liga anfragen“, sagt er, „auch für die Nationalmannschaft ist es gut, dass man sieht, dass so viele Talente aus der deutschen Bundesliga es schaffen können und es nicht immer wichtig ist, dass alle ins Ausland gehen.“ Auch ihm war ein solcher Wechsel nahegelegt worden, doch er entschied sich für Berlin und machte hier einen großen Entwicklungs- und Karriereschritt.

Ginge es nach Niroomand, würde aus der aktuellen Ausnahmesituation die Regel. Das Bestreben der BR Volleys ist es schon seit Jahren, „deutsche Spieler mit der entsprechenden Qualität bei uns zu integrieren. Manchmal passt es nicht, in diesem Jahr passte es ganz gut.“ Mit anderen Worten: Es hat sich nichts Grundlegendes an der Situation im deutschen Volleyball geändert. Manche Talente ziehen eben lieber nach Polen, Frankreich oder Italien, „einfach, weil sie im Ausland spielen wollen“. Längst nicht alle werden aber dort glücklich und hätten sich in einem Bundesligaverein mit mehr Einsatzzeit weit besser entwickeln können. Der Geschäftsführer der Berlin Recycling Volleys hat viele Ideen, was sich verbessern ließe: kein Teilzeit-Bundestrainer wie Winiarski es momentan ist, sondern ein Vollzeit-Coach, der Talente in Deutschland weiterentwickelt. Einen, der mit den Vereinstrainern über gemeinsame Maßnahmen spricht. Ein Aufbausystem, mit dem es gelingt, möglichst viele deutsche Spieler in der Bundesliga zu halten.  

„Da gibt es eine Entkoppelung zwischen der Verbandsarbeit und der Arbeit in den Vereinen“, beklagt Niroomand. „Das muss miteinander viel enger getaktet werden. Damit wir gemeinsam Talente in Deutschland binden. Das hebt das Niveau der Bundesliga, das prägt Gesichter. So bekommen wir die Figuren, die wir an unseren Volleyball-Standorten brauchen“, argumentiert der Manager, „und es wird nachträglich auch der deutschen Nationalmannschaft guttun.“ Nicht nur, aber auch deshalb investieren die BR Volleys seit einigen Jahren viel Geld in die Nachwuchsarbeit. Die größten Talente sollen zukünftig ihren Platz im Team des Deutschen Meisters finden. Der 19-jährige Zuspieler Djifa Julien Amedegnato ist der erste Spieler aus diesem Programm, der in der Saison 2024/25 die Chance erhält, sich bei den Berlin Recycling Volleys zu entwickeln. Was nicht heißt, dass Niroomand Wechsel ins Ausland kategorisch falsch findet: „Wenn einer so super ist, dass er mit 25 Jahren anderswo das Fünffache an Geld verdienen kann, dann sei es ihm vergönnt.“ Ein Georg Grozer oder ein Lukas Kampa sind in anderen Ligen zu Stars gereift. Auch von den fünf Berlinern, die jetzt zu den Olympischen Spielen wollen, haben bis auf Tille alle ihre Erfahrungen im Ausland gemacht. Es waren nicht nur gute.

In diesem Sommer eint sie das Ziel, bei ihrer Olympia-Premiere möglichst viel zu erreichen. „Wenn sie an die Form vom Qualifikationsturnier in Rio anschließen, es gut losgeht und das Los stimmt, traue ich der deutschen Nationalmannschaft durchaus zu, dass sie die Gruppenphase übersteht oder sogar ins Halbfinale kommt“, sagt Kaweh Niroomand. Etwas vorsichtiger äußert sich Moritz Reichert. „Bloß weil wir die Quali so gespielt haben, müssen wir jetzt aber auch nicht jedes Spiel gewinnen“, sagt der Außenangreifer, „klar war das ein Zeichen, man kann mit uns rechnen, wir können auf dem Niveau spielen. Deshalb müssen wir uns bei der Zielsetzung jetzt nicht gleich unter Druck setzen.“ Recht forsch geht Zuspieler Johannes Tille die Sache an: „Niemand hat uns die Qualifikation zugetraut, aber die haben wir geschafft“, sagt er, „bei Olympia gewinnen oft die Teams die Medaillen, die sich im Turnier am stärksten entwickelt haben und am besten zusammenspielen.“ Er sei gespannt, wie das sein Team in Paris hinbekomme, „denn gut zusammengespielt haben wir bei der Quali ja auch. Unser Ziel ist eine Medaille, obwohl wir wissen, dass uns das wieder niemand zutraut. Aber das“, schließt der 27-Jährige, „wird uns noch mehr motivieren.“

Alles zur VNL 2024: https://en.volleyballworld.com/volleyball/competitions/volleyball-nations-league/

Alles zum olympischen Turnier: https://en.volleyballworld.com/volleyball/competitions/volleyball-olympic-games-paris-2024/

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