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„Im Vergleich zu Laura bin ich schüchtern“

Sa 29.06.2024
Fotos: FIVB/Volleyballworld
Fotos: FIVB/Volleyballworld

Euphorisch feierte Louisa Lippmann die Erfüllung ihres großen Traums an der Seite von Laura Ludwig, als die gemeinsame Qualifikation für die Olympischen Spiele in Paris geschhaft war. Beim Elite16-Turnier in Ostrava beendete ein Sieg der Beiden über die direkten Konkurrentinnen Sandra Ittlinger / Karla Borger alle Zweifel. Die 29-Jährige nimmt in der französischen Hauptstadt nun erstmals am bedeutendsten Sportereignis der Welt teil. Dabei zählte die fünfmalige Deutsche Volleyballerin des Jahres auch schon vor ihrer Beachkarriere in der Halle auf ihrer Position der Diagonalangreiferin zur Weltklasse. Ein Gespräch mit der glücklichen Olympia-Starterin, die seit Beginn des Jahres für die Berlin Recycling Volleys antritt.

Louisa, herzlichen Glückwunsch erst mal zur Olympia-Qualifikation. Was in der Halle irgendwie nicht gelingen wollte, hast du auf Sand im ersten Anlauf geschafft. Überwiegt jetzt noch die große Freude oder dominiert schon die Aufregung?
Louisa Lippmann: „Aufregung noch gar nicht, da ist einfach nur große Freude und ein geiles Gefühl, dass wir uns qualifiziert haben. Wir hatten anschließend eine freie Woche, wo wahnsinnig viel Ballast abgefallen ist. Aber ich freue mich schon drauf, wenn wir wieder loslegen, was jetzt passieren wird. Dann richtet sich der Blick auf die weitere Vorbereitung auf die Olympischen Spiele. Die Aufregung kommt noch früh genug.“

Du warst auf deiner Position eine der besten Spielerinnen der Welt, hast Titel und Ehrungen nur so gesammelt – wie kam es, dass du dich plötzlich in Beachvolleyball verliebt hast?
Lippmann: „Tja, wie kam das? Laura hat da sicher auch eine große Rolle gespielt, dass diese Sportart in meinen Fokus gerückt ist. Beachvolleyball war für mich nie, nie, nie eine Option. Ich habe in der Jugend mal ein Turnier in Bielefeld gespielt, das war so furchtbar, dass ich dachte: Das kann ich nicht. Aber dann habe ich schon in der Halle angefangen, mit Jürgen Wagner (Trainer der Olympiasieger Julius Brink/Jonas Reckermann 2012 und Laura Ludwig/Kira Walkenhorst 2016) zusammenzuarbeiten, weil ich den Olympiasieg von Laura und Kira in Rio so beeindruckend fand, wie sie gespielt haben, wie die sich selbst reguliert haben. Das war wie eine Art Endstadium des Möglichen. Daraufhin habe ich angefangen, mit Jürgen zu arbeiten, weil ich mir in der Halle mehr Individualität gewünscht habe. So habe ich seine Denkweise kennengelernt, damit war eine Brücke geschlagen zum Beachvolleyball. Trotzdem war es noch immer keine Option.“

Warum schließlich doch?
Lippmann: „Ich glaube, mit dem Älterwerden und weil durch Corona bei allen auf die Pause-Taste gedrückt wurde, kam bei mir mehr und mehr ein Umdenken. Dazu habe ich mir die Frage gestellt: Wie will ich meine verbleibenden Jahre als Leistungssportlerin verbringen? Es war schwierig, in der Halle an das absolute Maximum zu kommen, weil du von so vielen Faktoren abhängig bist. Ich habe mir mehr Individualität und Selbstständigkeit gewünscht. Da habe ich die Chancen mehr im Beachvolleyball gesehen.“

Spielte da der Gedanke mit, vielleicht doch mal Olympia zu erreichen?
Lippmann: „Das war mit dabei. Aber mein Hauptgrund war, in diese Selbstbestimmtheit und Individualität zu kommen. Wie sieht es aus, in einem anderen Umfeld das Maximum aus mir rauszuholen? Diese Sportart hat einfach unheimlich viele Facetten. Das war mein Grund, in den Sand zu wechseln. Dann haben Laura und ich uns zusammengesetzt, haben festgestellt, wir könnten uns das vorstellen. Wir haben uns gesagt, wir lassen uns auf den Prozess und auf den Weg ein. Natürlich war da schon der Wunsch, uns zu qualifizieren. Aber ob wir das schaffen, dahinter stand ein fettes Fragezeichen.“

Wer hat denn wen gefragt, ob ihr es gemeinsam versuchen wollt?
Lippmann: „Ich würde sagen: so gegenseitig. Ich habe gesagt, ich könnte mir vorstellen, in den Sand zu gehen, bin gerade am Überlegen. Laura war da schwanger mit dem zweiten Kind, wollte aber gern zurückkommen. Das war so der erste Kontakt, wir haben uns gegenseitig abgeholt, wo wir gerade stehen und was wir uns vorstellen.

War dir klar, dass der Wechsel für dich in vielerlei Hinsicht eine große Herausforderung werden würde? Als Hallenspielerin wurde dir alles abgenommen bis zum Tragen der Trinkflaschen. Du hast bei Topklubs in Russland, Italien, China und natürlich Deutschland gutes Geld verdienen können. Jetzt war es mehr eine Investition, du musstest dich um alles selbst kümmern, Reisen organisieren, dich für Turniere anmelden, einen Trainer aussuchen. Hat dich das nicht abgeschreckt?
Lippmann: „Hat doch geklappt (lacht). In diesen zwei Jahren gab es natürlich viele Situationen, die herausfordernd waren. Vor allem dieser finanzielle Umschwung, ich wollte ja nicht das Polster, das ich mir in zehn Jahren Profivolleyball geschaffen habe, in zwei Jahren verbraten. Es ist schon eine schöne Sicherheit, wenn du monatlich dein Gehalt ausgezahlt bekommst. Statt wie jetzt zu rechnen mit Sponsoringeinnahmen und Turniergeldern, die ja auch nicht gleich geflossen sind, weil wir nicht direkt bei den Top-Platzierungen eingestiegen sind. Es gab viele Dinge, die ich erstmalig durchleben musste. Aber diese Selbstständigkeit, das Planen – das wollte ich ja auch. Und dazu muss man sagen, dass ich mit Laura so eine routinierte Partnerin habe und generell so ein gutes Team drumherum, dass ich sehr viel Hilfe und Unterstützung bekomme. Man wächst da rein. Es ist ein anderer Rhythmus in allen Bereichen, das muss man lernen. Auch, was eigentlich besser für einen ist.“

Zum Beispiel?
Lippmann: „Anfangs wollte ich immer ein Apartment zusammen mit Laura teilen, inzwischen hat sich herauskristallisiert, dass wir jede eher unseren eigenen Space brauchen bei den Turnieren. Da sind so viele verschiedene Facetten. Wie fliegen wir, welche Route? Einen Tag früher oder lieber einen Tag später? Man muss das herausfinden. Zusammengefasst: Es ist alles anders als beim Hallenvolleyball.“

Was reizt dich rein sportlich betrachtet am Beachvolleyball?
Lippmann: „Dieser krasse Druck, dass du immer am Ball bist. Das ist wie so ein Thrill. Wenn du weißt, oh Mist, ich habe gerade eine schlechte Phase, wahrscheinlich bin ich jetzt gleich gefragt im Aufschlag oder im Block. Das sind so Wellen: Mal bist du drei, vier Punkte gut, dann kommt aber der Gegner wieder ran. Und du nimmst immer aktiv teil am Spiel, das musst du, ansonsten ist es sehr schnell vorbei. Das ist in der Halle anders. Da wirst du mal von deinem Zuspieler nicht angespielt, wenn du eine schlechte Phase hast. Der Trainer kann dich auswechseln. Dir wird taktisch alles gesagt, was du machen musst. Du trainierst in der Halle unheimlich viele Standards. Im Beachvolleyball gibt es eigentlich keine. Da sind immer wieder zum Beispiel äußere Bedingungen, an die du dich anpassen musst. Das war und ist immer noch meine größte Schwäche, an der ich arbeite. Im Sand gibt es kein Auswechseln, kein Verstecken, wenn du spürst, du hast eine schlechte Phase, weißt du genau, du ziehst jetzt dein Team mit runter.“

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Was machst du dann?
Lippmann: „Du musst einen Weg finden, wie du dich regulierst, das ist ein großes Wort im Beachvolleyball. Dafür musst du dich selbst gut kennen, aber auch das Team. Das war bei Laura und mir ein langer Weg zu erkennen, wer braucht was im Spiel? Wie kann man sich gegenseitig pushen? Andererseits brauchst du deine eigene Zeit, um deine Leistung wiederzufinden, dein Ding zu machen. Unser Trainer sagt, das ist wie im Flugzeug, du musst dir erst mal selbst deine Maske aufsetzen, sonst kannst du der Person neben dir nicht helfen.“

Wie war das für dich, mit Laura ein Team zu bilden? Du bist fünfmalige Volleyballerin des Jahres in Deutschland, hast viele Titel geholt in verschiedenen Ländern. Sie ist aber Olympiasiegerin, zwölf Mal Beachvolleyballerin des Jahres, hat noch weit mehr gewonnen. Und du kommst als Novizin in den Sand …
Lippmann: „Gegen Lauras Vita ist meine ganz schön klein. Laura ist eine krasse Athletin. Wenn man sieht, was sie geschafft hat und ihre Auszeichnungen – das steht für sich selbst. Und dann lernt man Laura als Laura kennen. Sie ist ein Paradiesvogel. Manchmal denke ich mir: Boah, die Frau ist verrückt. Im absolut positiven Sinne. Sie ist Beachvolleyball-verrückt. Und so fröhlich und witzig sie manchmal sein kann, umso fokussierter ist sie in wichtigen Momenten. Was den Sport angeht, ist sie absolut geradlinig und zieht das durch. Das sieht man schon daran, wie sie nach ihrer zweiten Schwangerschaft zurückgekommen ist. Sie ist ein absoluter Vollprofi und hat trotzdem den Spaß und den Witz nicht verloren. Ich bin ja nicht gerade ein introvertierter Typ, aber in unserem Team bin ich die schüchternere Person.“

Hattest du mit der Rolle zu kämpfen, neben der Top-Spielerin Laura wie eine Anfängerin zu wirken? Angesichts dessen, was du vorher alles erreicht hast?
Lippmann: „Viele haben mir gesagt: Du stehst dann neben Laura Ludwig! Mir war das allerdings schon bewusst. Ich konnte es sogar ein bisschen üben, denn ich habe ja vorher eine EM mit Kira Walkenhorst gespielt. Die ist zwar komplett anders als Person, aber vom Sportlichen her ist Kira die gleiche Hausnummer. Eher war es so, dass ich mir selbst beweisen wollte, ich kann neben Laura bestehen. Das kam mehr von mir als von außen oder von Laura. Sie hat sehr viel Geduld und Verständnis aufgebracht. Auf dem Feld hat das keine Rolle gespielt. Es gibt zwischen uns die klare Rollenverteilung, dass sie auf dem Feld führt. Sie macht diesen Sport schon 20 Jahre, ich nicht. Das Schwierige war nur die eigene Erwartungshaltung, die ich an mich gestellt habe.“

Du bist 29 und eine der athletischsten Spielerinnen auf der Tour. Laura ist 38 und zweifache Mutter. Viele fragen sich: Wie passt das zusammen?
Lippmann: „Die eine spielt mit feinem Händchen, die andere holt eher den Vorschlaghammer raus. Und meine Athletik, die ich aus der Halle mitgebracht habe, muss ich auch erst mal in den Sand bringen. Der Sand ist ein ganz anderer Untergrund. Ich musste erst lernen, damit umzugehen. Da hat Lauras Mann Imornefe Bowes, der uns im ersten Jahr trainiert hat, extrem viel mit mir gearbeitet. Und Laura, wie gesagt, sie hat ein feines Händchen. Sie macht irgendwelche Shots – keine Ahnung, wie das funktioniert. So etwas habe ich in der Halle nicht gebraucht, im Beachvolleyball schon. Jürgen Wagner hat mir mal erklärt: Man gewinnt selten Spiele, wenn man die ganze Zeit hart angreift. Ich wollte ihm dann eine Weile beweisen, dass es doch geht, aber anscheinend hat er den Sport verstanden (lacht). Mein Baukasten an Tools und Skills im Beachvolleyball ist in jedem Fall noch ausbaufähig. Ich lerne. Trotzdem, so ergänzen wir uns. Laura ist die Abgebrühtere, ich komme eher mit Höhe oder Härte.“

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Warum habt ihr eigentlich den Trainer nach einem Jahr gewechselt? Anfang des Jahres 2024 hat der Österreicher Simon Nausch den Job übernommen.
Lippmann: „Es war ein krasser Spagat, den Laura und Morph gemeistert haben, gerade mit dem zweiten Kind. Der Grund war, die Trennung von Privat und Beachvolleyball besser hinzubekommen. Ehrlich gesagt, kenne ich nicht viele Trainer, Laura schon. Wir brauchten jemanden, der mich weiter entwickelt und der in unserem Team den Hut aufhaben kann. Sie hat Simon ausgesucht. So haben wir uns noch mal ein bisschen umstrukturiert.“

Nicht nur Laura hat ihre Familie sehr oft dabei. Dein Mann Hannes Lindt reist auch zu vielen Turnieren mit. Er war Handballer. Wie hilft dir seine Anwesenheit?
Lippmann: „Es tut mir einfach gut, nach dem Training, nach den Spielen zu ihm zu kommen. Wo ich eher der Emotionsbolzen bin, ist er die Ruhe in Person. Er beruhigt mich, und bei den letzten drei Turnieren, wo es um die Olympia-Qualifikation ging, war das notwendig. Zum Glück ist er beruflich so flexibel, es einrichten zu können. Er musste schon einiges mit mir mitmachen in den vergangenen zwei Jahren. Es ist ja für ihn auch nicht gerade einfach, wenn ich plötzlich um die Ecke komme und sage, du, ich würde jetzt gern mal unser komplettes Leben auf den Kopf stellen. Wir haben in Potsdam gewohnt und uns dort sehr wohl gefühlt. Dann sind wir von dort nach Hamburg gezogen. Im Moment gebe ich sehr den Takt an, wo unser Leben stattfindet. Spurlos geht die Sache selbst an ihm nicht vorbei. Als unsere Quali in Ostrava geschafft war, da war er unglaublich fertig. Ich habe ihn noch nie so erlebt. Auch von ihm ist in dem Moment ganz viel abgefallen. Er zeigt es nicht so. Trotzdem fiebert, leidet und freut er sich mit.“

Es wurde richtig eng am Ende. Sandra Ittlinger und Karla Borger wollten sich im Ranking einfach nicht abschütteln lassen. Dabei wart ihr 2023 so erfolgreich, der Weg nach Paris schien für euch längst bereitet. Warum habt ihr es so spannend gemacht?
Lippmann: „Karla und Sandra haben es eben auch noch mal sehr spannend gemacht. Sie haben sehr gute Ergebnisse rausgeholt und den Punkteabstand extrem verringert. Für mich war das auch eine neue Situation, dieses enge Rennen in der Olympia-Quali. Da kam bei den Turnieren eine Portion mehr Aufregung und Erwartung dazu. Häufig kann mir meine Aufregung helfen, mich pushen. Aber jetzt war es mit Sicherheit in einigen Situationen nicht hilfreich. Es war eben unsere erste gemeinsame Olympia-Quali, viele Situationen waren neu für mich. Trotzdem waren wir im Soll, wenn man nur auf unsere Ergebnisse in diesem halben Jahr schaut. Nur haben Sandra und Karla sehr gut gespielt, sehr viele Punkte geholt und richtig aufgeholt. So sind wir noch mal ins Schwitzen gekommen.“

Mit welcher Zielsetzung geht ihr jetzt nach Paris?
Lippmann: „Darüber haben wir uns noch gar nicht groß Gedanken gemacht. Für uns ist natürlich das Ziel, unseren besten Beachvolleyball zu spielen. Wir können auf jeden Fall für Überraschungen sorgen, das haben wir schon in unseren Turnieren gezeigt, dass wir für die Topteams gefährlich sein können.“

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Wann sieht man dich denn mal wieder bei den BR Volleys?
Lippmann: „Gute Frage. Die haben erst mal noch Pause. Einige Jungs von den BR Volleys haben ja diesen Sommer auch noch etwas vor sich. Wir sehen uns dann in Paris, was ich sehr cool finde. Wenn bei uns im Winter weniger los ist, möchte ich aber gern auch wieder nach Berlin kommen. Das Champions-League-Spiel gegen Ankara vergangene Saison war das zweite oder dritte Hallenspiel, bei dem ich seit meinem Wechsel in den Sand überhaupt mal wieder zugesehen habe. Das hat schon Lust auf mehr in der Max-Schmeling-Halle gemacht. Ich hoffe, das als Zuschauerin in diesem Jahr einge mehr genießen zu können und in Berlin zu sein. Hamburg ist eine schöne Großstadt, aber es ist mir zu fein manchmal. Dieses Rotzige, Verrückte an Berlin ist eine tolle Abwechslung. Ich liebe die Stadt.“

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