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„Im Moment der Verletzung habe ich nur an die Olympischen Spiele gedacht“

Mi 24.07.2024
Fotos: FIVB/volleyballworld/privat
Fotos: FIVB/volleyballworld/privat

Vier Spieler der Berlin Recycling Volleys gehören zum Aufgebot der deutschen Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Paris: Ruben Schott, Tobias Krick, Johannes Tille und Moritz Reichert. Schott ist der Kapitän des Deutschen Meisters und hat inzwischen auch im Nationalteam ein größeres Standing. Am Montag machte sich der DVV-Tross auf den Weg nach Paris. Im Zuge dessen erzählt der Außenangreifer von einem Schockmoment vor den Spielen, seiner Rolle als Anführer und seinem ungewöhnlichen 30. Geburtstag.

Wenn Kaweh Niroomand über den Spielführer der BR Volleys spricht, gerät er ins Schwärmen. „Ruben ist ein Supertyp“, sagt der Geschäftsführer, „er hat nichts Schlechtes in sich, ist konstruktiv, sachlich, ein friedlicher Kerl. Und man kann mit ihm auch gut feiern.“ Zu feiern gab es für die Berliner reichlich in den vergangenen Jahren, wobei Ruben Schott besonders in der jüngsten Finalserie gegen Friedrichshafen eine herausgehobene Rolle spielte. „Der Höhepunkt ist die Art und Weise, wie er uns trotz seiner schweren Verletzung zur Meisterschaft geführt hat“, lobt Niroomand. Der gebürtige Hauptstädter ließ sich von einer Sprunggelenksverletzung nicht stoppen. „Ich weiß nicht“, sagt Niroomand, „wie viele Sportler denselben Mumm und dieselbe innere Bereitschaft gehabt hätten, das so zu machen – mit den Olympischen Spielen im Hinterkopf.“ Doch nun ist alles gut. Die BR Volleys sind Rekordmeister, Schott ist fit, für die Spiele nominiert und voller Vorfreude.

Ruben, du bist vor wenigen Tagen 30 Jahre alt geworden, herzlichen Glückwunsch nachträglich. War überhaupt Zeit, das zu feiern?
Ruben Schott: „Eine große Feier gab es nicht. Ich hatte trotzdem einen ganz schönen Geburtstag. Mit der deutschen Nationalmannschaft in Kienbaum. Bei bestem Sommerwetter. Mit zweimal Training. (Lacht) Nein, meine Mama und meine Oma sind rausgekommen nach Kienbaum, sie haben mich überrascht. Mittags konnte ich mit ihnen Kaffee trinken, sie haben eine Torte mitgebracht, die habe ich mit der Mannschaft geteilt. Abends kam noch mein bester Freund vorbei, wir haben ein Kaltgetränk getrunken. Zwei Tage darauf hat mich auch noch meine Freundin aus den USA besucht. So war es ein schöner Geburtstag.“

Das heißt auch: Mit 30 darfst du zum ersten Mal zu den Olympischen Spielen, wie fühlt sich das an?
Schott: „Besonders. Ich bin sehr dankbar und sehe das als großes Privileg an. So viele Sportler haben diesen Traum, einmal bei den Olympischen Spielen dabei zu sein. Ganz viele schaffen es nicht, weil es so unglaublich schwer ist, sich dafür zu qualifizieren.“

Es ist also das größte Erlebnis deiner Karriere bisher?
Schott: „Ja, ganz sicher.“

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Mit welchen Erwartungen reist du an?
Schott: „Natürlich will man sportlich immer so weit kommen, wie es geht. Die Chancen sind schwer einzuschätzen. Es liegt viel an uns selbst. Bei der Olympia-Qualifikation im letzten Jahr hat man gesehen, wir können auch ganz große Nationen wie Italien oder Brasilien schlagen, wenn wir unser Potenzial abrufen, und dass wir auch konstant gut spielen können. Das war oft unser Problem in den Jahren davor. Wir hatten immer gute Phasen, nur fehlte die Konstanz. Wenn wir das noch mal abrufen können, ist einiges drin für uns in Paris. Ansonsten hoffe ich natürlich, dass ich viel von dem Drumherum der Olympischen Spiele aufsaugen kann. Klar, das ist zweitrangig. Aber als Athlet will man auch erleben, wie es sich anfühlt, dabei zu sein. Im Olympischen Dorf zu sein, mit all den anderen Athleten. Den ersten kleinen Dämpfer gab es aber schon. Die Eröffnungsfeier soll ja zum ersten Mal auf Booten stattfinden, wir haben uns sehr darauf gefreut. Als dann der Spielplan rauskam, war klar, daraus wird nichts. Am nächsten Morgen um 9 Uhr haben wir unser erstes Spiel. Als Sportler versteht man das, trotzdem ist es schade.“

Jedenfalls bist du beim olympischen Turnier dabei. Hattest du zwischendurch mal Sorgen, dass du noch aus dem Kader rutschen könntest? Es dürfen nur zwölf Leute mitspielen.
Schott: „Während des ganzen Jahres seit unserer Qualifikation hieß es schon immer: Toll, du bist in Paris. Ich habe darauf immer geantwortet, dass man mal abwarten muss, es werden ja auch noch Spieler gestrichen. Natürlich habe ich gehofft, wenn ich gesund bleibe, habe ich sicher gute Chancen. Als ich mir dann die Sprunggelenksverletzung im zweiten Playoff-Finale gegen Friedrichshafen zugezogen habe, war das schon ein kleiner Schockmoment. Ehrlich, ich dachte mir: Muss das sein, so kurz vor den Olympischen Spielen? Als dann bei den Untersuchungen herauskam, dass bis zu den Spielen alles verheilt sein wird, war ich beruhigt. Ein kleines bisschen Zweifel blieb trotzdem im Kopf, bis ich dann wirklich nominiert war.“

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Diese Verletzung brachte dich in zweierlei Hinsicht in eine heikle Situation. Zum einen hattest du Olympia schon im Visier. Andererseits standest du mit den BR Volleys im Finale gegen Friedrichshafen. Ganz offensichtlich hat das Team dich sehr gebraucht, ihr lagt 0:2 hinten. Und du hast gespielt, obwohl du angeschlagen warst.
Schott: „Das Wichtigste für mich war zu wissen, dass nichts weiter kaputtgehen kann, wenn ich spiele. Alles wurde präpariert mit Tape und Stütze, ich war von der Bewegung so stark eingeschränkt, dass da nichts mehr passieren konnte. Natürlich hat es wehgetan, aber am wichtigsten war der Kopf. Der wusste, da passiert nichts weiter. Also, ich stand zwar auf dem Spielfeld und hab so ein bisschen meine Sachen gemacht. Im Endeffekt war ich allerdings froh, dass viele Leute in der Mannschaft noch mehr Verantwortung übernommen haben. Gerade offensiv, Marek Sotola hat zu seinem Spiel zurückgefunden, Tim Carle hat im Angriff noch einmal zugelegt. Dafür ist Volleyball Teamsport. Wenn mal einer gehandicapt ist, sind andere da, die das ausgleichen können. Das haben die Jungs dann für mich getan.“

Schön bescheiden ausgedrückt, Ruben. Kaweh Niroomand meint, du hast die BR Volleys zur Meisterschaft geführt.
Schott: „Naja, es ging von Spiel zu Spiel schon ein bisschen besser. Das ist eine Sache des Vertrauens in den eigenen Körper. Da wir ständig gespielt haben, konnte ich mir das im Training nicht aufbauen, sondern musste es in den Spielen tun. Mir hat auch sehr geholfen, dass niemand mich unter Druck gesetzt hat, nicht das Trainerteam, nicht Kaweh. Niemand hat gesagt: Du musst unbedingt spielen, ohne dich geht es nicht. Sondern: Schön, wenn du dabei bist. Aber was nicht geht, geht nicht. Die Entscheidung lag bei mir. Das fand ich sehr gut.“

Johannes Thiemann, der Kapitän von Alba Berlin, befand sich fast in der gleichen Situation. Auch er war angeschlagen und hat trotzdem in Playoff-Halbfinale und -Finale der Deutschen Meisterschaft die Zähne zusammengebissen. Nun ist fraglich, ob er bis Paris wieder in Topform kommt …
Schott: „Tatsächlich habe ich in dem Moment der Verletzung gar nicht ans Finale gedacht, in dem wir gerade standen, sondern nur an die Olympischen Spiele. Hört sich vielleicht komisch an, ist aber so. Zum Glück war es nicht so schlimm. Klar war, dass der Regenerationsprozess etwas länger dauern würde, wenn ich trotzdem spiele. Damit konnte ich leben. Ich lasse mir mein Gelenk auch jetzt noch tapen. Ich bin einfach froh, dass alles so gut ausgegangen ist und dass ich bei der medizinischen Abteilung der BR Volleys so gut aufgehoben bin.“

Acht der deutschen Nationalspieler in Paris verdienen ihr Geld im Ausland. Dazu kommt das Berliner Quartett. Was sagt das über deinen Verein?
Schott: „Wir haben ein sehr gutes Standing, auch auf europäischer Ebene. In den vergangenen Jahren waren wir immer unter den besten Acht der Champions League. Ein Moritz Reichert, der jetzt nach Berlin zurückkommt, hätte sicher nach Polen gehen können, entscheidet sich aber für uns. Das sagt schon einiges. Berlin kann nicht so schlecht sein. Die Strukturen hier sind super-professionell. Die BR Volleys haben immer einen starken Kader, das heißt, man kann sich gut präsentieren auf der internationalen Bühne und sich mit den besten Mannschaften der Welt messen. Außerdem spielt man hier um Titel. Wir wollen versuchen diese, erneut zu verteidigen. Das ist eine ganz andere Herangehensweise, als wenn man in Frankreich, Italien oder Polen um einen Playoff-Platz kämpft.“

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Wie ist denn dein Standing im Nationalteam? Ist es gewachsen, seitdem du Kapitän der BR Volleys bist?
Schott: „Dadurch nicht, denke ich. Es ist allerdings gewachsen über den letzten Sommer hinweg. Einerseits, weil ich eine ganz gute Olympia-Qualifikation gespielt habe. Aber auch, weil ich versucht habe, kommunikativ und verbal viele Aufgaben bei dem Turnier zu übernehmen. Es ging darum, Georg Grozer zu entlasten, der es bis dahin immer gemacht hat. Ich wollte ihm da ein bisschen unter die Arme greifen. Seit dieser Zeit ist mein Standing etwas größer geworden.“

Du wirkst eigentlich eher wie der ruhige, zurückhaltende Typ, der lieber andere reden lässt. Nicht wie ein Anführer. Kaweh Niroomand sagt aber, dass du dich in der Kapitänsrolle sehr stark entwickelt hast, obwohl du nie ein Lautsprecher werden wirst.
Schott: „Es stimmt schon, ich bin eher zurückhaltend, nicht der geborene Kapitän oder Leader. Kaweh hat das ganz clever gemacht mit mir, als ich aus Polen nach Berlin zurückkam. Da hat er mich davon überzeugt, die Jahre davor schon im Spielerrat mitzumachen. Er hat mich an die Rolle des Kapitäns herangeführt. Ich bin jetzt immer noch nicht der perfekte Kapitän, wenn es so etwas überhaupt gibt, aber ich wachse noch mit dieser Rolle. Mir macht das Spaß, auch als Mensch daran zu wachsen.“

Für Ruben Schott und die DVV-Auswahl beginnt das olympische Turnier am Samstagmorgen (27. Jul um 9.00 Uhr) gegen Japan. Die ARD und Eurosport übertragen im TV und Livestream.

Alles zum olympischen Volleyballturnier: https://en.volleyballworld.com/volleyball/competitions/volleyball-olympic-games-paris-2024/

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